Wiens SPÖ-Stadträtin Wehsely geht zu Siemens    

By Manfred Werner - Tsui (Own work) [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

Die Wiener SPÖ leidet noch immer an den heftigen Flügelkämpfen. Nun wurde eine erste personelle Konsequenz gezogen: Sonja Wehsely verlässt die Politik und wechselt in die „Privatwirtschaft“. Die Opposition feiert den Abgang und kritisiert den Wechsel zu Siemens als „ethisch fragwürdig“.

Die Wiener Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely verlässt die österreichische Politik und wechselt zu Siemens Healthcare nach Deutschland. Unter dem Namen werden die medizintechnischen Aktivitäten des Siemens-Konzernz zusammengefasst. Seit 1996 war sie Abgeordnete zum Wiener Landtag. 2004 wurde sie „Integrationsstadträtin“ und 2007 übernahm sie das Gesundheitsressort.

Politisches Wirken in der Kritik

Während sie das politische Wirken bei ihrer heutigen Pressekonferenz selbst lobte, steht sie in- und außerhalb der SPÖ stark in der Kritik: Ärztestreik, Kostenexplosion beim Krankenhaus Nord und „Gangbetten“ in den Spitälern waren die dominierenden Themen der letzten Wochen.

Sie wird dem „linken Flügel“ der Wiener Landespartei zugeordnet und wurde zwischenzeitlich sogar als Kandidatin für das Bürgermeisteramt gehandelt. Seit der Asylkrise stand sie jedoch zunehmend unter heftiger Kritik von Parteiorganisationen aus den Wiener Flächenbezirken.

Zuletzt kam noch die Debatte um die Mindestsicherung dazu: Wegen der hohen Anzahl an Mindestsicherungsbeziehern ist Wien in einer besonderen Notlage. Letztes Jahr musste das Budget um 130 Millionen Euro aufgestockt werden. Als Wehsely eine Wartefrist für Asylwerber vorschlug, hagelte es erneute Kritik aus der eigenen Partei.

Flügelkampf entschieden?

Seit Herbst 2016 ist der Flügelkampf in der Wiener SPÖ erneut entflammt. Die Vertreter der großen Flächenbezirke Floridsdorf, Donaustadt, Simmering und Liesing forderten Bürgermeister Michael Häupl auf, seine Nachfolge bald zu regeln.

Diese rebellierenden Flächenbezirke stehen für einen Kurs, der die SPÖ für FPÖ-affine Wähler attraktiver machen soll. Hier finden sich Namen wie Michael Ludwig und vor allem die traditionellen SPÖ-Wähler: Arbeiter und Pensionisten, die nichts mit Zuwanderung und der neuen Ideologie der SPÖ am Hut haben.

Auf der anderen Seite steht der Flügel mit Sonja Wehsely, Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger und Finanzstadträtin Renate Brauner, die auf einer Abgrenzung zur FPÖ beharren und eine weitere Annäherung an die Grünen wollen. Hier versammelt sich die Wiener BoBo-Szene: Alt-68er, Feministinnen, NGOs, Medienleute, ÖH und Künstler.

Der „freiwillige“ Rücktritt von Sonja Wehsely ist ein herber Rückschlag für diesen Flügel. Insider berichten, dass Häupl eine weitere Periode im Amt bleiben möchte. Wenn dies der Fall ist, hätte er die Diskussion um einen Nachfolger vorerst ruhiggetellt. Und sollte Ludwig, Häupls größter Rivale, tatsächlich Finanzstadtrat werden, wäre auch der „rechte Flügel“ stärker an ihn gebunden („Ein Finanzstadtrat ist noch nie Bürgermeister geworden“). Das berichten zumindest Insider.

Opposition erfreut

Die Opposition reagierte erfreut über den Abgang von Wehsely.

Gernot Blümel, Parteichef der ÖVP, sagte unverholen:

„Der Freitag, der 13., ist ab sofort ein Glückstag für Wien.“

Die Grüne Parteichefin Maria Vassilakou „respektiere“ die Entscheidung:

“Ich wünsche ihr alles Gute für ihren weiteren Weg.”

Heinz-Christian Strache von der FPÖ:

“Nachdem heute bestätigt wurde, dass Stadträtin Wehsely Wien und damit auch ihren Posten als Gesundheitsstadträtin endgültig verlassen wird, zeichnet sich ein Silberstreif am Horizont ab.”

Robert Lugar vom Team Stronach kritisierte den Wechsel zu Siemens und verwies auf ein „massives Naheverhältnis zwischen Siemens Healthcare und der Verwaltung der Wiener Spitäler“:

„Hier brauchen wir nicht die Frage zu stellen, ob Wehsely den Job aus Dankbarkeit bekommen hat oder, weil man hofft, mit der Stadt Wien gute Geschäfte machen zu können. Vom ethischen Standpunkt ist der Jobwechsel fragwürdig und muss künftig bei derart engen Naheverhältnissen verboten sein“

Siemens und die SPÖ

Bereits in der Vergangenheit hat Siemens mehrere gefallene SPÖ-Funktionäre in das Unternehmen integriert. 2000 wechselte Ex-SPÖ-Europastaatssekretärin Brigitte Ederer zum Großkonzern, wo sie Mitglied im Vorstand wurde. Ederer übernahm auch den Aufsichtsratsvorsitz in Österreich und wurde Konzernvorstand in Deutschland. Im September 2013 wurde sie vorzeitig abberufen und sitzt nun unter anderem im Aufsichtsrat der Wien Holding.

2011 folgte ihr Wolfang Hesoun in der Führungsposition bei Siemens. Auch er ist ein SPÖ-Parteikollege und gilt sogar als SPÖ-Personalreserve. Schon sein Vater Josef Hesoun war SPÖ-Politiker und SPÖ-Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Zur Einstellung von Wehsely nahm für das Unternehmen Matthias Platsch, President of Services (Siemens Healthineers), Stellung:

„Mit ihren Kompetenzen aus der Gesundheitspolitik erweitert sie in einmaliger Weise unser globales Services-Team, das wir konsequent weiter auf- und ausbauen, um das Geschäft innerhalb unseres strategischen Wachstumsfeldes Services systematisch für unsere Kunden in den globalen Gesundheitsmärkten weiterzuentwickeln“,

Ob tatsächlich ihre „Kompetenzen“ ausschlaggebend waren, um den nicht ausgeschriebenen Top-Job zu bekommen oder doch das SPÖ-Netzwerk genau zur richtigen Zeit ausgeholfen hat, bleibt wohl vorerst im Dunkeln. Deutlich wird aber einmal mehr die enge Verzahnung zwischen Großkonzernen und der etablierten Politik. Nicht zuletzt hat sich Siemens mit Sonja Wehsely auch die Lebensgefährtin von Andreas Schieder, den SPÖ-Klubobmann im österreichischen Nationalrat, ins Boot geholt.

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