Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler?

von This Photo was taken by Wolfgang Moroder. [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Eigentlich ist eine doppelte Staatsbürgerschaft ein Kuriosum. Der Gedanke sich mit zwei Ländern gleichzeitig identifizieren zu können scheint absurd. Gerade am Beispiel von Südtirol sieht man aber: Wo dies nicht der Fall ist, kann sie dem Schutz angestammter Minderheiten dienen. Die Süd-Tiroler Freiheit fordert eine Doppelstaatsbürgerschaft und lädt zur Brenner-Kundgebung am 8. Oktober ein.

Kommentar von Julian P. Eschentharrn

Der Gedanke an Südtirol ruft traditionsreiche Bilder: Bauern, die am urigen Dorfmarkt im blauen Schurz Äpfel, Speck und Wein feilbieten. Schützen, die in Tracht einem Brauchtumsumzug beiwohnen. Hehre Burgen, die über verwinkelten Altstädten thronen und von der bewegten Geschichte des Landes künden. Bärtige Kletterer, die in einer Dolomitenwand hängen. Ausflügler, die im Herbst im Abendrot sitzen und beim Törggelen an regionalen Spezialitäten völlern. Menschen, die ihre Tiroler Identität mit Lebensfreude zu begehen wissen. Nur zwei Dinge kommen nicht in den Sinn: dass man sich in Italien oder unter Italienern befände.

Meran war über Jahrhunderte die Landeshauptstadt Tirols, neben der Residenzstadt Innsbruck Dreh- und Angelpunkt. Eine Liste historischer Persönlichkeiten aus Südtirol stellt das Who-is-who der Tiroler Geschichte: Michael Gaismair, Andreas Hofer, Oswald von Wolkenstein, Johann Kravogl, Luis Zuegg, Eduard Wallnöfer. Auch heutige Prominente von Sepp Forcher bis Hans Kammerlander wuchsen an Etsch und Eisack auf. Selbstverständlich gelten sie alle als illustre Vertreter des deutschen Sprach- und Kulturraums. Bloß der Pass, der ist heute ein ‚Welscher‘.

Doppelte Staatsbürgerschaft nur für Migranten?

Doppelte Staatsbürgerschaften gerieten im Nachlauf des in Österreich zu 73% befürworteten Erdogan-Referendums in den Fokus öffentlicher Debatte: Österreich erlaubt die Beibehaltung einer früheren Staatsbürgerschaft eigentlich nur im Ausnahmefall, der Erhalt der österreichischen ist bei Erwerb einer weiteren ebenso antragspflichtig. Und obgleich viele Doppelbürger ihren ursprünglichen Pass nach Einbürgerung prompt wieder erhielten, bleibt die Regierung untätig. Viele Erdogan-Anhänger werden auch bei der kommenden Nationalratswahl stimmberechtigt sein. Unabhängig davon – Info-Direkt berichtete unlängst – sind auch Einbürgerungen von Migranten in Österreich im Vergleich zum Vorjahr um fast 10 Prozent gestiegen.

Im März dieses Jahres hingegen gerichtlich abgeschmettert wurde ein Antrag von fünf Südtirolern. Sie hatten geklagt, damit der deutschsprachigen Volksgruppe von Rechts wegen die österreichische Staatsbürgerschaft nach dem Abstammungsprinzip zuerkannt würde. In diesem Fall wäre eine doppelte Staatsbürgerschaft nach dem Gesetz beider Staaten legal. Immerhin genießt Österreich auch seit 1960 den Status als Schutzmacht per UN-Resolution 1497/XV. Dies deshalb, weil zweifelsfrei festgestellt wurde, dass es sich bei den deutschsprachigen Südtirolern um eine österreichische Volksgruppe im fremden Staatsgebiet handelt. Die vielzitierte Autonomie ist also eine ethnische und keine territoriale. Die österreichische Politik jedoch lässt schon die Fragestellung kalt – mit Ausnahme der FPÖ. Parteichef Strache bekannte im Jänner, dass er sich als Kanzler für dieses Anliegen einsetzen würde.

Kein Novum in Europa

Man müsste innerhalb Europas nicht weit blicken: Ungarn erlaubt den etwa 1,5 Millionen Szeklern in Rumänien seit 2010 die Erlangung des ungarischen Passes. Rumänien selbst gewährt das Privileg seit 2009 den Moldawiern. Großbritannien gestattet überhaupt Anträge von Menschen aus Commonwealth-Staaten sofern jedenfalls ein Großelternteil in dessen Hoheitsgebiet geboren wurde. Selbst Italien hat seit 1998 mehr als 800.000 italienischstämmigen Personen den Pass ihrer Vorfahren verliehen, vornehmlich Lateinamerikanern. Zu diplomatischen Verstimmungen ist es dabei nirgendwo gekommen.

Gerade vor dem Hintergrund der Migrationskrise sollte man auch hierzulande Nägel mit Köpfen machen. Mit oder ohne den Segen Italiens. Südtirol droht weiter zu einem Hotspot dieser Völkerwanderung zu werden. Österreich wäre dann als Schutzmacht seinen eigenen Bürgern verpflichtet: Sollte sich z.B. die Mittelmeerroute wieder entsprechend dramatisch öffnen, wäre etwa ein Brennerschluss nicht mehr ohne Weiteres möglich. Man müsste dann nämlich auch in diesem Fall den Tirolern beiderseits des Brenners eine machbare Lösung anbieten.

Brenner-Kundgebung am 8. Oktober

Kurzentschlossene können kommenden Sonntag, den 8. Oktober um 11 Uhr ihre Unterstützung für dieses Anliegen kundtun: Die Süd-Tiroler Freiheit lädt zur alljährlichen Brenner-Kundgebung am Grenzstein. Die angestrebte Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler ist diesmal dezidiertes Motto. Die Terminwahl fiel dabei nicht zufällig auf dieses Datum: Man wolle bewusst eine Woche vor der Parlamentswahl ein starkes Zeichen nach Wien senden, dass die Süd-Tiroler die österreichische Staatsbürgschaft zurück wollten.

„Die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für uns Süd-Tiroler wäre ein volkstumspolitischer Meilenstein, der eine völlige Neuausrichtung der Süd-Tirol-Politik mit sich brächte“, so die Süd-Tiroler Freiheit in einer Presseaussendung. Dem ist nichts hinzufügen.

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1 Kommentar

  1. Wer die Südtiroler kennt, weiss, dass das ein „verschlagenes“ Volk ist. Die wollen von allen die Vorteile haben, von Italien, von Österreich und von der EU, aber sie wollen mehrheitlich NICHT zu Österreich gehören, dann hätten sie die anderen Vorteile nicht mehr. Eine Doppelstaatsbürgerschaft würde das nur noch verstärken. Die Südtiroler müssen sich entscheiden, wo sie hingehören und diese Entscheidung ist bei den meisten schon gefallen. Es soll so bleiben wie es ist. Die Jungen tendieren sowieso mehrheitlich zu Italien, sprechen auch vermehrt italienisch. Wenn es so ist, dann soll es so sein, aber wir Österreicher brauchen da gar nichts mehr tun.

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