Ackermeier: „Noten sind eine wertvolle Orientierung“

Unser Leben besteht aus Noten und Bewertungen. Vor allem um Vergleichbarkeit zu schaffen, sind Maßstäbe in unserem Leben wichtig. Das gilt auch in unserem Bildungswesen. Das schließt nicht aus, dass man als Lehrer entsprechende Ergänzungen zum Leistungsstand eines Schülers abgeben kann, aber am Ende des Tages sollte für alle sichtbar sein, in welcher Kategorie sich jemand bewegt.

von Jan Ackermeier

Man kann es bedauern oder ablehnen, aber unsere Gesellschaft braucht Bewertungsmaßstäbe, um etwas einen Wert zuschreiben zu können. Seien es nun Semmeln oder Bildungsleistungen. Man verstehe mich nicht falsch: natürlich erfordert eine umfassende Bildung viel mehr, als nur das bloße Verteilen von Noten. Etwa die Fähigkeit, zu verknüpfen oder eigene Schlüsse zu ziehen. Die Wissensvermittlung nimmt aber auch einen nicht unwesentlichen Teil unserer Bildung ein. Und eben der nachweisbare Erfolg oder Misserfolg dieser Wissensvermittlung verlangt nach einer stufenweisen und möglichst objektiven Kategorisierung – eben in Noten.

Noten sind wertvolle Orientierung

Darüber hinaus bilden Noten aber auch eine wertvolle Orientierung für den Schüler und können – bei entsprechender Objektivität des Lehrers – auch sehr motivierend wirken. Vor allem Kinder und Jugendliche brauchen oftmals Vergleichbarkeit und wollen wissen, wo sie im Vergleich zu anderen stehen. Ergänzend mit Hinweisen des Lehrenden können Noten auch ein Mittel sein, um gezielt an Mängeln der Schüler zu arbeiten. Denn Noten sind eben nie nur blanke Ziffern, sondern setzen sich – etwa in einer Deutsch-Klassenarbeit – aus Mengen von Korrekturzeichen, Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen am Heftrand zusammen. Der individuelle Nachhol- und Förderungsbedarf wird bei Noten also dennoch im Detail sichtbar. Noten ersetzen daher auch kein Persönlichkeitsurteil des Schülers durch den Lehrer.

Ohne Noten? Naive Romantik!

Das schließt nicht aus, dass man im ersten oder zweiten Volksschuljahr noch auf Noten verzichten könnte und die jungen Schüler langsam auf ein Bewertungssystem hinführt, aber spätestens ab der dritten Klasse kann und muss ein Schüler überschauen, wie seine Leistungen einzustufen sind. Schulen ohne Noten, vor allem weiterführende Schulen ohne Noten – das ist stattdessen naive Romantik, das ist biedere Gefälligkeitspädagogik und das ist eines der zahlreichen Sozialexperimente, mit denen mehr oder weniger erfahrene „Spezialisten“ an unserem Bildungswesen seit Jahrzehnten „herumdoktern“. Schule kann keine Schule ohne eindeutige und objektivierbare Leistungsbilanz sein.

Keine Bildungsoffensive ohne Erziehungsoffensive

Dass Noten dennoch oft nicht den gewünschten Erfolg erzielen, liegt weniger am Lehrer als vielmehr an Eltern und Schülern. Es werden keine oder die falschen Schlüsse gezogen. Vor allem müssten Eltern sich ehrlich und kontinuierlich mit der Bildungs- und Schullaufbahn des Nachwuchses auseinandersetzen, um das Notensystem – und die aus den Noten zu ziehenden Schlüsse – möglichst effektiv zu nutzen. Es gilt nämlich auch in diesem Feld, wie so oft in der Bildungsdiskussion: keine Bildungsoffensive ohne Erziehungsoffensive. Wenn man aber den Eindruck gewinnen muss, dass moderne Eltern heute oftmals mit der Erziehung unseres Nachwuchses überfordert sind, dann macht eine Schule ohne Noten die Situation dadurch nicht annehmbarer – im Gegenteil!


Dieser Beitrag ist Teil eines Schlagabtauschs über Noten in den Schulen. Die Gegenposition von Caroline Sommerfeld finden Sie >> hier. <<

Weitere Artikel …