Studie von Asyl-Aktivisten soll belegen: „Kein NGO-Wahnsinn im Mittelmeer“

Bildkomposition: Info-DIREKT; Screenshot: derstandard.at; Foto: By Irish Defence Forces [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons

DerStandard hat heute den Artikel „Neue Studie widerlegt ‚NGO-Wahnsinn‘ im Mittelmeer“ veröffentlicht. Inzwischen wurde er von der APA aufgegriffen und wird deshalb über alle etablierten Medien ungeprüft verbreitet. Doch ein näherer Blick zeigt, dass es sich um politisch motivierte Fake-News handelt.

von Patrick Lenart

Im März schrieb Kim Son Hoang für den globalistischen „DerStandard“ bereits über eine zweifelhafte Studie über die Schlepper-NGOs. Nun legt er mit einer aktuelleren Studie nach.

Von Asyl-Aktivisten für Asyl-Aktivisten

Nicht nur beim Titel der Studie „Blaming the rescuers“ sollten bereits die Alarmglocken leuchten. Übersetzt bedeutet er: „Die Retter beschuldigen. Kriminalisierung der Solidarität. Abschreckung vollstrecken“. Denn auch die Autoren der Studie Charles Heller und Lorenzo Pezzani sind keine Unbekannten.  Charles Heller ist nicht nur „ein erklärter Feind der geschlossenen Grenzen„, sondern gemeinsam haben sie 2014 das Projekt „Watch the Med“ gegründet, das Migranten die Überfahrt über das Mittelmeer erleichtern soll.

Beide sind Teil der „Forensic Architecture agency“ von Eyal Weizman am „Goldsmith“ College an der Universität von London. Dass es sich um ein College für bildende Kunst handelt, wird verschwiegen. Die „Forensic Architecture agency“ arbeitet eng mit NGOs und Menschenrechtsorganisationen zusammen. „Dass die Grenzen zwischen Wissenschaft und Aktivismus dabei verschwimmen, ist gewollt. Die Arbeit von FA ist per se politisch“, berichtete schon 2016 die schweizer Tageswoche. Charles Hellers Projekt «Watch the Med» sei exemplarisch für den aktivistischen und politischen Charakter von Forensic Architecture.

Danksagungen kein Zufall

Es ist deshalb auch kein Zufall, dass die Studie sich explizit bei folgenden Akteuren bedankt: „WatchTheMed, Migreurop, Boats4People and EuroMed Rights networks, Statewatch, Amnesty International, ARCI, Meltingpot and Borderline Sicily„. Auch wird explizit den SAR-NGOs gedankt, unter anderem Ärzte ohne Grenzen und SeaWatch sind, die selbst mit Booten im Mittelmeer aktiv sind. SeaWatch ist beispielsweise darüber empört, dass Migranten zurück in libysche Häfen gebracht werden und Boats4People fordert, „die scharfen Kontrollen im Mittelmeer aufzuheben.“

Hanebüchene Argumentation

Die Akteure sind bemüht, die Tätigkeit der NGOs zu rechtfertigen. Sie wollen beweisen, dass die Tätigkeit der Schlepper-NGOs kein Pull-Faktor ist und begehen dabei haufenweise Fehlschlüsse. Anstatt zu erklären, warum die Schlepper-NGOs kein Pull-Faktor sind, wird nur erklärt, dass die Zahlen wie in den vorangegangenen Jahren steigen. Dass die NGOs das durch die Übernahme der Rolle von staatlichen Akteuren erst ermöglicht haben, wird ausgeblendet. Als Beweis wird unter anderem angeführt, dass es zu einem 46-Prozent-Anstieg auf der „westafrikanischen Route“ kam. In absoluten Zahlen kamen dort 2016 nur 11.000 Migranten im Vergleich zu mehr als 180.000 auf der zentralen Mittelmeer-Route. Auf die Faktoren wird nicht eingegangen.

Als weiteres Argument wird angeführt,  dass die Schlepper wegen der Zerstörung ihrer Schiffe auf Gummiboote umgestiegen sind, die zu einer Überfahrt nicht fähig sind. Dies liege nicht in der Verantwortung der Schlepper-NGOs. Dass die Tätigkeit der Schlepper nur durch das Abholen der Migranten vor der libyschen Küste weitergeführt werden kann, wird gekonnt verschwiegen.

NGO-Wahnsinn im Mittelmeer

„Die Zuwächse an Ankünften haben nichts mit den Aktivitäten der NGOs zu tun“ – diese Behauptung soll unter anderem auf Aussagen von Behördenvertretern basieren. Nicht ins Bild passende Aussagen von Behördenvertretern wurden dabei ebenfalls ignoriert. Beispielsweise Fabrice Leggeri, der im Interview mit der Welt“ sagte:

„Wir müssen verhindern, dass wir die Geschäfte der kriminellen Netzwerke und Schlepper in Libyen nicht noch dadurch unterstützen, dass die Migranten immer näher an der libyschen Küste von europäischen Schiffen aufgenommen werden.“

Im Artikel vom „Standard“ findet sich auch kein Wort darüber, dass mit „NGO-Wahnsinn“ nicht nur die Kritik an der Verantwortung für die Anzahl der Migranten gemeint ist. Viele weitere Facetten werden im Standard-Artikel unterschlagen: So ist inzwischen bekannt, dass die NGOs nicht nur mit afrikanischen Schlepper kooperieren, sondern sie teilweise sogar bezahlen. Umgekehrt vermutet die italienische Staatsanwaltschaft, dass kleinere NGOs auch von Schleppern finanziert werden. Kein Wort davon, dass sämtliche Behörden von den italienischen und österreichischen Außenministerien, Frontex und der libyschen Küstenwache ein härteres Vorgehen gegen die Schlepper-NGOs fordern, weil diese eben doch ein Pull-Effekt seien. Kein Wort davon, dass die NGOs die Arbeit der Behörden aktiv behindern und Ermittlungen gegen Schlepper erschweren.

Auch ältere Studie politisch motiviert

Auch eine ältere Studie wird von Kim Son Hoang im Artikel erwähnt. Sie wird als eine „Studie von der Universität Oxford und der Scuola Normale Superiore“ bezeichnet. Dabei erschien sie als Blog-Beitrag auf der Universitätsseite von Oxford, jedoch im Namen von Elias Steinhilper und Rob Gruijters. Steinhilper ist „PhD candidate in Political Science and Sociology at Scuola Normale Superiore in Florenc“, Gruijters ist „postdoctoral researcher at the Department of Sociology, University of Oxford.“ Nicht unwesentlicher Aspekt: Steinhilper ist selbst in mehreren „Flüchtlingsinitiativen“ aktiv und arbeitet an einer Promotion zur „Transnationalisierung von Refugee Protesten in Europa“.

Irreführende Vergleichszahlen

Auch sie wollten beweisen, dass die Tätigkeit von Schlepper-NGOs keine Auswirkung auf die Anzahl der Migranten hat und scheiterten damit. Ein zentraler Fehler der mangelhaften Analyse soll an dieser Stelle erwähnt werden: In der Studie wird alles Mögliche verglichen, aber nicht die tatsächliche Anzahl illegaler Migranten mit den zu erwartenden Migranten im gleichen Zeitraum ohne die Schlepper-NGOs. Die Studie verschweigt schlichtweg, dass ohne die Schlepper-NGOs kein einziger Migrant mehr das Mittelmeer überqueren könnte und deshalb die Anzahl der Überquerungsversuche gegen Null gehen würde.

Das ist besonders interessant, weil die Politik in Australien diese Auswirkungen bereits bewiesen hat: „Die meisten begannen ihre Reise in indonesischen Häfen auf desolaten Booten, in der Hoffnung auf einen Neubeginn im wohlhabenden Australien. Den Höhepunkt erreichte die Welle im Wahljahr 2013, mit über 20.000 Menschen auf 300 Booten. […] Gleich nach dem Machtwechsel ging die Zahl der Bootsflüchtlinge drastisch zurück. Im Jahr 2014 wurde nur noch ein Boot registriert – und seitdem landete kein einziges mehr an. Die Marineschiffe versperrten bislang 30 Booten mit 765 Insassen den Weg.“

Fazit

DerStandard versucht mit pseudo-wissenschaftlichen Studien, Stimmung für Schlepper-NGOs zu machen. Die Studien stammen von Asyl-NGOs für Asyl-NGOs und sind nicht nur fehlerhaft, sondern auch politisch motiviert. Über diese Hintergründe wird in den Medien geschwiegen. Verschwiegen wird auch, dass die Studie von einem College für bildende Kunst stammt.

Kritische Stimmen von Behörden werden dabei verschwiegen und mit Fake-Studien als „populistisch“ gebrandmarkt. Der Grund für diese Art von Medienberichten dürfte darin liegen, dass die Kritik an der Schlepper-Tätigkeit von NGOs immer lauter und ein Vorgehen gegen die NGOs immer wahrscheinlicher wird.

Weitere Artikel …