Am Weltmarkt brauchen Arbeitnehmer mehr Schutz, nicht weniger

Bild: Info Direkt FL

In unserer globalen Wirtschaft bräuchte es tatsächlich Regierungen, die sich grundsätzlich auf die Seite der Arbeitnehmer stellen. SPÖ und Gewerkschaften haben gestern im Rahmen einer Demonstration gegen den 12-Stunden-Tag Zehntausende auf die Straßen gebracht. Was kein Thema war: Vieles von dem, was sie der Regierung heute vorwerfen, haben sie selbst nicht anders gemacht.

Von Friedrich Langberg

Seit 1975 ist in Österreich der 8-Stunden-Tag eingespielter Takt des Erwerbslebens, zumindest weitestgehend. Ausnahmen gibt es schon jetzt, auch in der Einflusssphäre der SPÖ. Die ÖBB etwa arbeitet seit geraumer Zeit mit flexibleren Arbeitszeiten. Im roten Kärnten kann in der Straßenmeisterei sogar schon 13 Stunden gearbeitet werden. Ärzte, Polizisten und Pflegepersonal arbeiten grundsätzlich oft hart an der Belastungsgrenze, weit über die acht Stunden hinaus. Im „Plan A“ des Christian Kern war auch nichts anderes vorgesehen.

Was wird sich tatsächlich ändern?

Volkspartei und FPÖ haben sich nun darauf verständigt, die Arbeitszeit zu flexibilisieren. War es dem Arbeitgeber bislang möglich, im Bedarfsfall zehn Stunden anzuordnen, hat er nun zwölf. Der Wochenrahmen wird von 50 auf 60 Stunden ausgeweitet. Alles, und das wird die Regierung nicht müde zu betonen, auf Basis der Freiwilligkeit. Die Opposition hält dies für eine realitätsferne Einschätzung. Sie rechnet damit, dass Arbeitgeber die neuen Regeln klar zu ihrem Vorteil nutzen werden.

Wie sich die Änderung in der Realität auswirkt, kann heute nur Gegenstand von Vermutungen sein. Dass aber Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung jubeln, während auf der Gegenseite nicht nur (parteipolitisch zuordenbare) Arbeitnehmervertreter, sondern auch die Bevölkerung mehrheitlich dagegen ist, zeigt, wohin die Reise gehen könnte.

Konzerne werden immer mächtiger

Problematisch ist in der Tat, dass im Rahmen der Globalisierung viel Macht von Regierungen weg zu Konzernen gewandert ist. Waren einst Volkswirtschaften eingebettet in einen Nationalstaat, sind heute ganze Staaten eingebettet in globale Märkte. Und in Weltmärkten regieren eben Weltkonzerne: Facebook, Google, Amazon oder Apple. Das ist das Gegenteil dessen, was „freie Märkte“ versprochen haben. Diese hatten der Idee nach den Zweck, überproportionale Konzentration von Macht und Kapital zu verhindern. Heute sehen wir, dass diese Faktoren einfach von autokratischen Staaten hin zu Konzernen gewandert sind. Sie gestalten unser Leben heute oft mehr als jede Politik.

Das ist die Schattenseite der totalen Freiheit: Kapital kann im Bruchteil einer Sekunde digital über den Globus transferiert werden – immer dorthin, wo es niedrige Steuern und hohe Renditen gibt. Konzerne sind inzwischen so mobil wie ihre Angestellten: Wird anderswo auf der Welt billiger und mehr gearbeitet, wandert ein Unternehmen eben ab. Durch Migrationsströme haben jene Unternehmer, die bleiben, immer genügend Angebot an Arbeitskräften, um die Löhne niedrig zu halten.

Politik sollte versuchen, das Machtverhältnis wieder auszugleichen

Grundsätzlich ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern von einer wechselseitigen Abhängigkeit bestimmt. Es braucht Menschen, die unternehmerisches Risiko aufnehmen – sonst gäbe es ja nur Beamte. Diese Unternehmer sind ihrerseits darauf angewiesen, dass Menschen für sie arbeiten. In den letzten Jahrzehnten jedoch führte die oben beschriebene Entwicklung dazu, dass die Machtposition von Arbeitgebern gegenüber ihren Angestellten massiv ausgebaut wurde. Die Tendenz wird sich im Rahmen der Digitalisierung noch verstärken.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn eine Regierung dieses Missverhältnis wieder auszubalancieren versucht. Leider zeigt sich aber, dass ein eingespieltes Muster sich inzwischen verfestigt hat: Die Opposition ist für die „kleinen Leute“ da, die Regierung für die Großen. Unabhängig davon, wer gerade wo sitzt. Zwischen SPÖ und FPÖ haben sich in dieser Frage mit der Rolle auch die Positionen getauscht. Das zeigt: Anscheinend ist die ÖVP hier ziemlich hartnäckig.

Weitere Artikel …