Querfront – Blick in die Geschichte & Begriffsbestimmung

Querfront - Blick in die Geschichte & Begriffsbestimmung
Symbolbild Querfront: fp; Bild Benedikt Kaiser: zVg; Bildkomposition: Info-DIREKT

Der Begriff der „Querfront“ feiert mal wieder Hochkonjunktur. Deshalb bringen wir erstmals online einen Auszug aus einem Leitartikel von Benedikt Kaiser, der im Magazin Info-DIREKT mit dem Schwerpunktthema „Querfront – Mythos oder Realität?“ erschienen ist. Unser „Querfront“-Magazin kann zu jedem Abo kostenlos dazu bestellt werden.

Was man bereits auf den ersten Blick sieht, ist der Fakt, dass die Einstufung als Querfront-Vorfall selten einer Eigenbezeichnung entspricht. Das Etikett stammt zumeist vom politischen Gegner, um Phänomene zu klassifizieren und angreifbar zu machen, bei denen die altbewährte politische Topografie überfordert bzw. nicht anwendbar ist. Diese Phänomene scheinen auf einem Vormarsch gegenüber den klassischen politischen Lagern zu sein. Glaubt man etwa dem liberalen deutschen Politikmagazin Cicero, sei eine gefährliche „Querfront in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, die den westlich-liberalen (und damit auch transatlantischen) Grundkonsens von links und rechts unter Beschuss nehme. Aber das sagt noch nichts darüber aus, ob es eine „Querfront“ wirklich gibt, was sie ausmacht – und ob es sich überhaupt lohnt, sich für eine solche einzusetzen.

Querfront als Kampfbegriff

Wenn heute die Nachdenkseiten und Albrecht Müller, Compact und Jürgen Elsässer, Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine, „völkische“ Siedler und Anselm Lenzens „Demokratischer Widerstand“ oder gar die „Neue Rechte“ als Ganzes rundherum für „Querfront“ gehalten werden, deutet das die Problematik des Begriffs an. Denn wenn alle genannten Akteure, die andersgeartete weltanschauliche Standpunkte vertreten, gleichermaßen „Querfront“ sind, wird der Begriff inhaltsleer. Er verkommt zur politischen Waffe, um sich mit den Inhalten der jeweils entsprechend Geschmähten nicht auseinandersetzen zu müssen. Mit Querfrontern spricht man nämlich seitens des Mainstreams nicht, man ächtet sie im Rahmen des entgrenzten „Kampfes gegen rechts“.

Querfront damals

Man kann auf diesem Terrain von einem regelrechten Verfall einer Begrifflichkeit sprechen, da „Querfront“ nicht immer diese inhaltslose Floskel gewesen ist, um politische Gegner als Outlaws ins Abseits zu stellen. Hierfür empfiehlt es sich, die historischen Urgründe der Theorie und Praxis von „Querfront“-Bestrebungen näher anzusehen (das tue ich ausführlich in meinem Kaplaken-Band „Querfront“). Diese Urgründe liegen u. a. in den Trümmern der Weimarer Republik, als Gewerkschaften, Militärs und der antikapitalistische Flügel der NSDAP Ende 1932 versuchten, eine Kanzlerschaft Adolf Hitlers und dessen Zusammengehen mit der feudalen und großindustriellen „Reaktion“ durch ein quer zu den Fronten liegendes Bündnis (= Querfront) zu stoppen. Diese Versuche sind bekanntermaßen gescheitert. Aber in diesem Akt einer versuchten Allianzbildung von links und rechts zur Verhinderung Hitlers liegt der Urgrund der „Querfront“.

Es gab zudem in der intellektuellen Linken der Zwischenkriegszeit Kräfte, die ein Zusammengehen mit dem politischen Gegner von rechts favorisierten, um das liberale Ganze zu stören. Der pazifistische Schriftsteller Kurt Hiller schrieb noch Anfang 1933, dass die Linke und die Rechte einen jeweiligen Selbstreinigungsprozess benötigten, an dessen Ende eine Kooperation – die Querfront – möglich wäre. Stießen die Rechten reaktionären Ballast ab und stießen die Linken ihre volksvergessenen „Nationalblinden“ ab, „dann wäre ein Bund möglich in Deutschland, groß, glänzend und stark, der endlich der Mittelmäßigkeit, dem Geldmachertum, allen Feinden des Lichts die Macht entreißt und den Geist verwirklicht“. Auch dieses Gesprächsangebot kam zu spät; das Projekt scheiterte.

Beide kurz eingeführten Beispiele der historisch-originären Querfront zeigen aber bereits, dass in politischen Ausnahmesituationen Konstellationen denkbar sind, die jenseits einer fundamentalen geistigen, wirtschaftlichen und politischen Krise gar nicht vorstellbar wären. Aber in einem bestimmten historischen Moment kann es besondere Entwicklungen geben.

Querfront heute

Querfront erscheint auf Basis dessen als ein taktisches, strukturelles und temporäres Modell, das in einem geschichtlichen Moment aufgrund des Drucks der Ereignisse entstehen kann. Je nach Land, Zeit und Situation erfährt der Begriff dabei eine gänzlich andere Aufladung. Als Versuch eines kleinsten gemeinsamen Nenners kann man diesem zugrunde legen, dass den bisherigen Querfrontbemühungen in Deutschland und anderswo gemein war, eine Links-rechts-Kooperation in einer bestimmten Lage zu einem bestimmten Zweck gegen einen bestimmten Gegner zu formieren – und dass die Versuche im Regelfall von „rechts“ ausgingen. Gleichwohl verrät dieses strukturelle und funktionelle Vorgehen selten etwas über den Inhalt der jeweiligen Querfront.

Sie ist folglich kein Wert an sich und als solches nicht der Mühe wert, zumal es derzeit an lagerübergreifenden Projekten, ja bereits an bloßem Interesse bezüglich politischer Elemente, die „falsch“, also gegnerisch etikettiert sind, mangelt. Wir haben in Deutschland (und teils auch in Österreich) eine spezifische historische Situation. Aus dieser ergibt sich auch, dass die hiesige politische Linke, so vielfältig sie in sich sein mag, aus patriotischem Blickwinkel wesentlich volksverneinend agiert.

Mehr dazu im Magazin Info-DIREKT mit dem Schwerpunktthema „Querfront – Mythos oder Realität?“, das sie derzeit zu jedem Abo kostenlos dazu erhalten.

Über den Autor

Benedikt Kaiser (geb. 1987), studierte in Chemnitz im Hauptfach Politikwissenschaft. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lektor und Publizist. Kaiser schreibt u.a. für Sezession (BRD), Kommentár (Ungarn) und Tekos (Belgien); für éléments und Nouvelle École (Frankreich) ist er deutscher Korrespondent. Kaisers jüngste Buchveröffentlichung widmet sich der Frage nach dem professionellen Zusammenspiel des patriotischen Mosaiks: Die Partei und ihr Vorfeld (Schnellroda 2022).

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