Leibovici: „Wir leben in einer Zeit der Entgemeinschaftung“

Martina Leibovici-Mühlberger ist Mutter von vier Kindern, Ärztin und Jugendpsychologin. Die Autorin von Bestsellern wie „Wenn Tyrannenkinder erwachsen werden“ spricht im Interview mit Info-DIREKT über die Herausforderungen der Kindererziehung und warum unsere Konsumgesellschaft die Menschen krankt macht.

Info-DIREKT: In den letzten Jahrzehnten hat sich in vielen Elternhäusern ein sehr laissez-fairer Erziehungsstil durchgesetzt, warum?

Martina Leibovici-Mühlberger: Viele Eltern tendieren unter den „Dogmen der neuen Welt“ der letzten 25 Jahre dazu, Freunde der Kinder sein zu wollen. Man nennt das auch „auf Augenhöhe mit dem Kind“ zu sein. In Wirklichkeit haben diese Eltern Angst, ihre Führungsverantwortung zu übernehmen.

Info-DIREKT: Für Sie ist Autorität nicht grundsätzlich schlecht. Sie unterscheiden hier sehr genau.

Leibovici-Mühlberger: Eine Autorität ist jemand, der über Wissen, Kompetenz, Erfahrung und Sicherheit verfügt. Eine Autorität kann begründen, warum sie sagt, „Wir machen das so“. Autoritär hingegen ist jemand, der auf seiner Macht basierend einen Befehl gibt, ohne dass er diesen Befehl sachlich begründen kann. „Du machst das, weil ich dein Herrscher bin!“, das ist autoritär. Als Autorität strukturiere ich vor, was zu passieren hat, weil ich die Konsequenzen einer Situation vor dem Kind abschätze. Wenn ich meinem Kind liebevoll verbiete in eine Pfütze zu springen, weil es sich bei der anschließenden mehrstündigen Wanderung sonst verkühlen würde, bin ich eine Autorität. Während die laissez-fairen, begleitenden Eltern auf die Selbstregulation ihrer Kinder setzen und es in die Pfütze springen lassen, damit es seine Neugierde ausleben kann. Wenn das Kind danach bei fünf Grad nasse Füße hat, ist das jedoch keine gute Situation, um Neugierde zu trainieren.

Info-DIREKT: Die Zahl der psychisch auffälligen Personen ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Hat das nur mit den Experimenten im Bereich der Erziehung zu tun?

Info-DIREKT Titelblatt, Cover, Titelseite
Die Titelseite des aktuellen Info-DIREKT Magazins

Leibovici-Mühlberger: Wir leben in einer Zeit der Entgemeinschaftung und Vergesellschaftung, wie die moderne Soziologie sagt. Ich möchte in mein Mickey-Mouse-Leben alles hineinpressen. Ich will es auch jederzeit wieder ändern können. Die gesamte Umgebung und auch die Menschen rundherum sind Statisten für meinen jeweiligen Lebensplan. Das ist die Haltung, die als klug propagiert wird, um aus seinem Leben das Beste rauszuholen. Was auf diese Art aber passiert, ist, dass Menschen nicht mehr das Miteinander leben können. Nicht mehr diese liebevolle Grundverbundenheit entwickeln können. Wir erleben ein Abtropfen des Neoliberalismus auf die Beziehungsführung. Gemeinsam durch Krisen zu gehen, ist nicht mehr en vogue. Wenn mit einem Partner eine Krise entsteht, wird er entsorgt und man schaut schnell, dass man etwas Besseres nachbekommt. Die Idee, dass wir damit glücklich werden, wenn wir kompromisslos unser Leben leben wollen, steht im Widerspruch dazu, dass 38 Prozent der europäischen Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben eine klinisch relevante psychische Störung entwickeln. Wir können alles machen, was wir wollen. Wir können so viel konsumieren, wie Generationen davor zusammen nicht gehabt haben und trotzdem geht es uns so schlecht.

Info-DIREKT: Warum ist das so?

Die Antwort auf diese Frage lesen Sie im aktuellen Printmagazin Info-DIREKT. Zudem erfahren Sie im Interview mit Martina Leibovici-Mühlberger, warum viele Kinder die Trennung ihrer Eltern als lebensbedrohliche Situation wahrnehmen und wie man diesen Kindern helfen kann. Wer am besten für die Erziehung der Kinder zuständig sein sollte und wie Arbeit vor Burnout schützen kann, verrät die Wienerin ebenso im Gespräch, das Michael Scharfmüller für Info-DIREKT mit ihr geführt hat.

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