Die „Kontinuität“ der österreichischen Balkanpolitik

von Franz Johann Morgenbesser [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons

Vor einigen Tagen erlebten Österreich wieder ein „Politskandal“.  Seitdem die FPÖ in der Bundesregierung sitzt werden diese wie aus dem Hut gezaubert. Um ein ganz besonderes Blatt inszenierter Aufregung handelt es sich beim Aufstand um ein Interview des nunmehrigen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache mit einem bosnischen Regionalsender. Dabei wären die unterstellten Forderungen vielmehr sogar ein Zeichen der Kontinuität der österreichischen Balkanpolitik. 

Ein Gastkommentar von Pavle Isakovics

Seit dem Wahlkampf 2017 nahmen Politskandale immer mehr zu, und zwar sowohl richtige als auch künstlich erzeugte. Zu den letzteren gehört der jüngst außenpolitische „Skandal“. In einem Interview im September 2017 sagte der damalige FPÖ-Klubobmann und der heutige Vizekanzler Heinz-Christian Strache, dass er den Staat Bosnien und Herzegowina als nicht funktional sieht. Er verstehe auch nicht, warum die dortigen Serben kein Recht auf die Selbstbestimmung haben sollten.

Obwohl dieses Interview für den staatlichen Sender der Republik Srpska im September 2017 stattgefunden hat, wurde es nach der Regierungsbildung wieder aktuell. Die liberale Partei NEOS erfuhr von dem Video und übermittelte es an den Standard. Und zwar schon komplett übersetzt, ausgeschnitten und vorbereitet. Der Standard produzierte daraus, in seiner besten Manier, einen außenpolitischen „Politskandal“.

Bosnien-Herzegowina als behelfsmäßiges Stückwerk

Bevor wir uns mit der Aussagen von Heinz-Christian Strache befassen ein kürzer Überblick des Staats Bosnien und Herzegowina.  Nach dem blutigen Bürgerkrieg zwischen 1992-95 wurde durch das Friedensabkommen von Dayton eine Föderation namens Bosnien und Herzegowina geschaffen. Diese setzt sich aus zwei gleichgestellten Entitäten. Eine Entität ist die Serbische Republik und die andere Entität ist die Föderation Bosnien und Herzegowina, die als eine bosniakisch-kroatische Entität zu betrachten ist. Zudem wird diese Entität in weitere zehn Kantone geteilt und jeder von diesen Kantonen hat sein eigenes Parlament, Regierung und Verwalter.

So beinhaltet die Balkanrepublik insgesamt folgende Institutionen: ein dreiköpfiges Präsidium (dort sitzen je ein Vertreter der Serben, Kroatien und Bosniaken), zwei Parlamente auf der gesamtstaatlichen Ebene, zwei Entitätsparlamente, zwei Entitätspräsidenten, zwei Entitätsregierungen und zehn kantonale Parlamenten samt ihren Regierungen und einem Verwalter. An der Oberspitze dieses Gebildes sitzt ein Hoher Vertreter der EU, der auch mit verschiedenen Vetorechten ausgestattet ist. Diese Rolle bekleidet derzeit der Kärntner Slowene Valentin Inzko. Wenn man zu dieser institutionellen Komplexität den Hass zwischen den dortigen Bevölkerungen dazu rechnet, bekommt man eine sehr einfache Rechnung: So ein Staat kann mit Sicherheit nicht funktionieren. Und darum wundert es keinen vernünftigen Menschen, wenn die Serben und Kroaten einen Ausweg aus diesem „Staat“ suchen.

Strache-Interview: Standard produzierte Fake-News

Das Interview von HC Strache dauert zirka 30 Minuten und wurde noch im September gesendet. Danach veröffentlichte das Wiener Magazin „Kosmo“ einige Passagen aus diesem Interview. Damals im Wahlkampf interessierte sich keiner besonders dafür. Jedoch seitdem die FPÖ in der Regierung sitzt, wurde eine Diffamierungskampagne gestartet. Das Video, das von den NEOS an den Standard übergeben wurde, wurde im Voraus ausgeschnitten und in die deutsche Sprache übersetzt. Das „ganze“ Video dauert 97 Sekunden und wurde in dieser bearbeiteten Form von der Standard-Journalistin Adelheid Wölfl veröffentlicht.

Durch diese Veröffentlichung ohne eine Überprüfung erzeugte Frau Wölfl damit klassische „Fake-News“. Diese wurde bald von meisten anderen österreichischen Medien (Ö1, ORF, Kurier, usw.) übernommen. Dort wird „zitiert“, dass Strache gegen den Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina und für eine Unabhängigkeit des Landesteils Republika Srpska agiere. Zudem behauptete Wölfl, dass Strache selbst in Banja Luka im Jänner gewesen ist, was überhaupt nicht stimmt. Tatsächlich verreiste dorthin der neue gf. FPÖ-Klubobann Johann Gudenus als seine Vertretung. Diese Behauptung musste Adelheid Wölfl dann nach der Intervention des Senders „Deutsche Welle“ öffentlich widerrufen.

Kommentar zu Situation ist kein Sezessionsaufruf

In der Wahrheit sagte Strache nur, dass der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina nicht funktioniere. Dass er nur dank Intervention der Internationalen Gemeinschaft noch immer am Leben sei. Und dass in diesem Sinne überlegungswert sei, ob man den Serben und Kroaten doch ein Recht auf Selbstbestimmung geben soll. Es handelte sich im Interview  also nirgendwo um eine Forderung nach einer Sezession, sondern um eine schon allgemein bekannte Feststellung, dass Bosnien und Herzegowina ein „failed state“ ist und das man eventuell nach einer anderen Lösung suchen soll. Nicht mehr und nicht weniger.

Bald schossen weitere Balkanexperten wie Vedran Dzihic gegen FPÖ und Strache. Aber auch selbsternannten Experten wie die NR-Abgeordnete Alma Zadic – selbst bosniakischer Herkunft – oder der ehemalige österreichische Diplomat Wolfang Petritsch. Diese pochten darauf zu betonen, dass Straches Aussage dem Staat Österreich schade, zudem Österreich für die Kontinuität seiner Außenpolitik am Balkan bekannt sei. Wie ist es aber mit dieser Kontinuität tatsächlich?

Sezession wäre Kontinuität in Außenpolitik

Grundsätzlich wäre die Unterstützung der Sezession in Republik Srpska eine wirkliche und wahrhaftige Kontinuität der österreichischen Außenpolitik. Die Republik Österreich unterstützte massiv die Sezessionen Sloweniens, Kroatiens und Bosniens vom kommunistischen Jugoslawien. Während man das mit den damaligen politischen Interessen Österreichs noch erklären konnte, ist die österreichische Unterstützung der Unabhängigkeit Kosovos nicht mehr rational zu erklären.

Und nicht nur, dass Österreich die selbsterklärte Unabhängigkeit Kosovos unterstützte. Österreich gehörte zu  den führenden Staaten, der diese Unabhängigkeit international forcierte. Man unterstützte die „Republik Kosova“ in verschiedenen Institutionen (UNESCO, UNO, EU, usw.) maßgeblich. Auch durch den Druck von Reisepässen der „Republik Kosova“ in der österreichischen Staatsdruckerei. Wenn man schon über die Kontinuität der österreichischen Außenpolitik am Balkan spricht, dann müsste man ehrlicherweise sagen, die Unterstützung der Republik Srpska in ihrem Wunsch nach der Unabhängigkeit wäre die wahrhafte Kontinuität der österreichischen Außenpolitik.

Kampagne als richtungsweisend für Legislaturperiode?

Die FPÖ und die Bundesregierung reagierten auf diese Diffamierungskampagne ziemlich besonnen und so verlief dieser Versuch der Mainstream-Medien im Sand. Doch obwohl es sich hier um einen Sturm im Wasserglas handelt, zeigt dieses Beispiel wohin die Reise in nächsten fünf Jahren gehen wird. Es werden immer wieder und wahrscheinlich immer mehr „Politskandale“ von den österreichischen Medien künstlich erzeugt werden um die FPÖ irgendwie in Bedrängnis zu bringen.

Dabei sollten sie aber auch bedenken, dass man dadurch eigentlich nicht der FPÖ selbst, sondern dem Staat Österreich, in dessen Regierung die FPÖ sitzt, am meisten schadet. Da man sich aber seitens der Leitmedien auch nicht von ausreichend von solchen Elementen distanziert, deren höchstes gut die Abschaffung des Staats ist, sind solche Kampagnen durchaus auch zu erwarten.

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