Aquarius bald ein rechtloses Geisterschiff im Mittelmeer

Der nächste Hafen des Gutmenschenkutters könnte auch sein letzter sein. Das ehemalige Küstenwachschiff, das von „SOS Méditerranée“ betrieben wird, verliert zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit seine Flagge.

von Alexander Schleyer

Ein Schiff ohne Flagge hat keine Rechte

Seit geraumer Zeit ist es üblich, Seeschiffe unter fremder Flagge fahren zu lassen. Meist mit solchen von Dritte-Welt-Ländern aus Mittelamerika, der Karibik oder Westafrika. Dabei ändert sich nur der Heimathafen, nicht aber die Eigentumsverhältnisse. Grund für die sogenannte Ausflaggung sind niedrigere Steuern, geringere Sicherheitsvorschriften und ein faktisch kaum vorhandener Arbeiterschutz.

Der Flaggenstaat übernimmt die volle Jurisdiktion und Zertifizierung eines Schiffes, aber auch seinen konsularischen Schutz. Ein Schiff ohne Flagge ist daher seerechtliches Niemandsland und verliert das Recht, in Hoheitsgewässer und Häfen einzulaufen.  Manche Staaten nehmen sich das Recht, unregistrierte Schiffe zu beschlagnahmen und unter ihre Kontrolle zu bringen.

Panama unterhält mit fast 9.000 Schiffen die größte Handelsflotte der Welt. Der mittelamerikanische Kleinstaat ist deswegen so beliebt, weil er faktisch keine Ansprüche an die Seetüchtigkeit des Schiffes oder die Qualifikation der Besatzung stellt und zudem über kein Arbeitsrecht verfügt.

Nicht Italien übte Druck auf die Aquarius aus, sondern Panama

Die Mär, Italien habe Druck auf Panama ausgeübt, ist aus seemännischer Sicht eher unwahrscheinlich. Vielmehr ist denkbar, dass vermögende Reeder, deren Schiffe unter Panamaflagge segeln, gedroht haben, diese neuerlich umzumelden, was für Panama einen enormen wirtschaftlichen Schaden bedeuten würde. Die Gefahr, in die Rettung der afrikanischen Glücksritter involviert zu werden, ist für Kapitäne ein ständiges Damoklesschwert und durch den Zeitverzug für Reedereien mit hohen Verlusten verbunden.

Sollte die „Aquarius“ auch diesen Heimathafen verlieren, irrt sie fortan als schutz- und rechtloses Geisterschiff durchs Mittelmeer.

Über den Autor:

Alexander Schleyer, geboren in Bonn, diente zunächst als Marinesoldat und fuhr im Anschluss auf Handelsschiffen zur See. Studium der Germanistik und Geographie in Bonn und Wien, lebt als Autor und Flaneur meist in Wien. In seinem Buch „Defend Europe. Eine Aktion An Der Grenze“ erzählt Schleyer über seine Erlebnisse mit der Identitären Bewegung im Mittelmeer, an der er als 1. Offizier teilnahm.

 

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