Israel zu kritisieren ist kein Antisemitismus!

Herbert Fritz Quelle: Info-DIREKT; Fahne Israels “The Provisional Council of State Proclamation of the Flag of the State of Israel” of 25 Tishrei 5709 (28 October 1948) provides the official specification for the design of the Israeli flag.The color of the Magen David and the stripes of the Israeli flag is not precisely specified by the above legislation. The color depicted in the current version of the image is typical of flags used in Israel today, although individual flags can and do vary.The flag legislation officially specifies dimensions of 220 cm × 160 cm. However, the sizes of actual flags vary (although the aspect ratio is usually retained). [Public domain], via Wikimedia Commons; Bildkomposition Info-DIREKT

Am 20. November 2018 erschien in der Tageszeitung „Die Presse“ ein Appell von 34 israelischen Gelehrten, Kritik am Staat Israel nicht mit Antisemitismus zu vermischen. Im Kontext des EU-Ratsvorsitzes wird die österreichische Regierung am 21. November eine hochrangig besetzte Konferenz unter dem Titel „Europa jenseits von Antisemitismus und Antizionismus – Sicherung jüdischen Lebens in Europa“ abhalten.

Von Dr. Herbert Fritz

Wer vom Antisemitismus spricht, darf von Verbrechen an Palästinensern nicht schweigen!

Wir unterstützen den kompromisslosen Kampf der EU gegen Antisemitismus voll und ganz. Das Erstarken des Antisemitismus erfüllt uns mit Sorge (…) Das Erstarken des Antisemitismus ist eine reelle Gefahr und sollte der gegenwärtigen europäischen Politik ernsthaft zu denken geben.
Die EU steht aber auch für Menschenrechte ein und muss diese genauso energisch schützen, wie sie den Antisemitismus bekämpft. Die Bekämpfung des Antisemitismus sollte nicht dafür instrumentalisiert werden, legitime Kritik an israelischen Besatzungen und an schweren Verletzungen palästinensischer Menschenrechte zu unterdrücken.

Israels Präsident: Antisemitismus und Kritik an Israel sind das Selbe

Israels Premierminister, Benjamin Netanjahu, hätte auf der Konferenz in Wien sprechen sollen, bis er seine Reise absagte, um seine Regierung zu stabilisieren. Er hat hart daran gearbeitet, Kritik am israelischen Staat mit Antisemitismus zu vermischen.
Zu unserer tiefen Besorgnis sehen wir diese Vermischung auch in der offiziellen Ankündigung der Konferenz durch die österreichische Regierung. Dort heißt es: „Der Antisemitismus findet seinen Ausdruck sehr oft in übertriebener und unverhältnismäßiger Kritik am Staat Israel.“

Eine gefährliche Definition von Antisemitismus

Diese Worte geben die Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken wieder. Mehrere Beispiele für zeitgenössischen Antisemitismus, die sich der Definition anschließen, beziehen sich auf harsche Kritik an Israel. Im Ergebnis kann die Definition gefährlich instrumentalisiert werden, um Israel Immunität gegen Kritik an schwerwiegenden und verbreiteten Menschen – und Völkerrechtsverletzungen zu verschaffen – Kritik, die für legitim erachtet wird, wenn sie sich gegen andere Länder richtet. Das schreckt jedwede Kritik an Israel ab.

Besatzungsmacht Israel

Die Ankündigung setzt außerdem Antizionismus mit Antisemitismus gleich. Wie alle modernen jüdischen Bewegungen des 20.Jahrhundersts widersetzten sich jedem Zionismus auch viele Jüdinnen und Juden heftig, ebenso wie Nichtjuden, die nicht antisemitisch waren.(…) Es ist unsinnig und unangemessen, Antizionismus automatisch mit Antisemitismus gleichzusetzen.

Israel ist eine Besatzungsmacht, die Palästinenser seit 50 Jahren ihrer Grundrechte beraubt!

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Staat Israel seit über 50 Jahren eine Besatzungsmacht ist. Millionen von Palästinenserinnen und Palästinensern unter Besatzung entbehren ihrer Grundrechte, Freiheit und Würde. (…) Es ist notwendiger denn je, dass Europa alle Versuche entschieden ablehnt, die freie Meinungsäußerung anzugreifen oder Kritik an Israel durch die falsche Gleichsetzung mit Antisemitismus zum Schweigen zu bringen.
Europa muss dies auch für die eigene Glaubwürdigkeit tun. Die Ausweitung dieses Kampfes zum Schutz des israelischen Staates vor Kritik trägt zur Fehlwahrnehmung bei, dass Jüdinnen und Juden mit Israel gleichzusetzen seien und deshalb verantwortlich für die Handlungen dieses Staates wären.

Haltet dabei die klare Unterscheidung zwischen Kritik am Staat Israel und Antisemitismus aufrecht. Vermischt nicht Antizionismus mit Antisemitismus. (…)schützt die Rede- und Meinungsfreiheit derjenigen, die Israels Besatzung ablehnen und darauf bestehen, dass sie endet.

Als israelische Gelehrte, deren Mehrheit jüdische Geschichte erforscht und lehrt, sagen wir zu Europa: Bekämpft den Antisemitismus unnachgiebig, um jüdisches Leben in Europa zu schützen. Haltet dabei die klare Unterscheidung zwischen Kritik am Staat Israel und Antisemitismus aufrecht. Vermischt nicht Antizionismus mit Antisemitismus. Und schützt die Rede- und Meinungsfreiheit derjenigen, die Israels Besatzung ablehnen und darauf bestehen, dass sie endet.

em. Prof. Jose Brunner, Tel Aviv
Prof. Eva LLiouz, Soziologin, Jerusalem
em. Prof. Moshe Zimmermann, Historiker
und 31 weitere israelische Gelehrte

Nachruf auf Uri Avnery

In diesem Zusammenhang möchte ich auf meinen Nachruf zum Tod Uri Avnerys, der Ikone der israelischen Friedensbewegung und auf die Äußerungen Ronald S. Lauders, des Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses verweisen. Seit Ende des israelischen Unabhängigkeitskrieges hatte Uri Avnery die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten vertreten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt.

Überleben Israels kann nur durch faire Politik gegenüber Palästinensern gesichert werden

Vor allem aber hatte er erkannt, dass das Überleben Israels als Insel im islamischen Meer langfristig nur durch eine faire Politik gegenüber den Arabern gesichert werden kann. Und das bedeutet die Gewährung, bzw. Bildung eines palästinensischen Staates neben Israel. Die Alternative dazu wäre ein israelischer Staat mit einer arabischen Mehrheit, der dann entweder nicht mehr jüdisch sein würde oder nicht mehr demokratisch, wenn die Palästinenser darin nicht dieselben Rechte erhielten. Scharf kritisierte er in diesem Zusammenhang die israelische Siedlungspolitik, den Raub arabischer Gebiete, in der er das größte Hindernis für die Schaffung eines palästinensischen Staates sah.

Gesinnungswandel bei konservativen Israelis

Tatsächlich setzen sich die Vorstellungen Uri Avnerys allmählich auch in konservativen israelisch-jüdischen Kreisen durch und werden langfristig als einzige Überlebenschance Israels gesehen.
So schrieb „Der Tagespiegel“ vom 20. 03. 2018 u.a.:
Nahostkonflikt: Aus Sorge um Israel Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, plädiert für die Zweistaatenlösung – damit Israel als Demokratie Bestand hat …
Der Mann liebt nach eigenem Bekunden Israel. Eine zweite Heimat nennt er den vor 70 Jahren gegründeten Staat der Juden, dessen wirtschaftliche Stärke und Wehrhaftigkeit ihn stolz mache. Doch Ronald S. Lauder sorgt sich um die Zukunft der Nation, die ihm … so am Herzen liegt.

In einem in der New York Times veröffentlichten Beitrag macht der 74-Jährige gleich zwei Gefahren aus: das mögliche Scheitern einer Zweistaatenlösung mit den Palästinensern und der drohende Verlust religiöser Vielfalt. Beides könne den Fortbestand Israels als Demokratie ernsthaft infrage stellen…
Der amerikanische Unternehmer und Kunstsammler gilt als Netanjahus Freund. Doch Verbundenheit kennt eben auch Grenzen, fordert, wenn als nötig empfunden, sogar Widerspruch heraus.

So schreibt Lauder: „Ich bin konservativ und Republikaner. Ich unterstütze seit den 80er Jahren die Likud-Partei (deren Chef Netanjahu ist, Anm. d. R.). Aber die Realität ist, dass 13 Millionen Menschen zwischen Jordan und Mittelmeer leben. Und fast die Hälfte von ihnen sind Palästinenser.“

Klare Worte in Richtung Netanjahu.

Israel habe daher die Wahl, ihnen entweder volle Bürgerrechte zu garantieren und dadurch aufzuhören, ein jüdischer Staat zu sein. Oder ihre Rechte zu negieren und damit keine Demokratie mehr zu sein. „Der einzige Weg, beides zu vermeiden, ist die Zweistaatenlösung.“

Antizionistische Äußerungen zu verbieten fördert den Antisemitismus!

Verbote, die israelische Politik zu kritisieren, hieße, auch die Siedlungspolitik, das heißt, den Landraub an den Palästinensern zu akzeptieren. Dass dies auch innerhalb Europas den Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden nicht förderlich sein dürfte, liegt auf der Hand. Vereinfachend ließe sich sagen: antizionistische Äußerungen und Formulierungen zu verbieten fördert den Antisemitismus!

Wir müssen unser Verhältnis zu Juden normalisieren

Wir sollten uns um ein entkrampftes Verhältnis zu unseren jüdischen Mitbürgern bemühen. Sie sind, so wie die Nichtjuden, weder „Über- noch Untermenschen“. Sie haben so wie alle andern gute und schlechte Eigenschaften und sie sollten auch dementsprechend beurteilt werden.

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