Türkis-Blau und Türkis-Grün im Medien-Check

Türkis-Blau und Türkis-Grün im Medien-Check
Hintergrund: Pixabay.com. Links: Twitter. Rechts: Falter

Genau 525 Tage war die türkis-blaue Vorgänger-Regierung im Amt, bevor diese – ausgelöst durch Ausschnitte aus dem berüchtigten „Ibiza-Video“ – letztendlich zu Fall gebracht wurde. Das Ergebnis war – wie wir alle wissen – ein politisches Erdbeben mit Neuwahlen und eine weitere Regierungsbildung, dieses Mal mit türkis-grünem Anstrich.

Diese Analyse von Anton Preinsack ist im Printmagazin Nr. 31 „Die Grünen: Über den Tisch gezogen und nach rechts gerückt!“ erschienen, das Sie jetzt kostenlos zu jedem Abo erhalten.

Gehen wir zurück ins Jahr 2017: Bereits kurz nach der Nationalratswahl, aus der ÖVP und FPÖ als Wahlsieger hervorgegangen waren, gab es mediale Warnungen vor einer möglichen blauen Regierungsbeteiligung – ein Eindruck, der sich nach der tatsächlichen Regierungsbildung noch verstärkte. Internationale Medien zeigten sich tendenziell „besorgt“ und malten den Teufel des Rechtsextremismus an die Wand. „Rechts wird normal. In Österreich regieren ab heute Rechtspopulisten mit, darunter Politiker mit rechtsextremer Vergangenheit und Verbindungen in die Neonaziszene. Das birgt Gefahren – und erfordert Kritik“, hieß es zum Beispiel im deutschen „Spiegel“ in einem Artikel.  

Mediale Vorverurteilung

Aber auch in den heimischen Mainstream-Medien, inklusive dem öffentlich-rechtlichen ORF, wehte speziell der FPÖ von Anfang an ein rauer Wind entgegen. Viel verwendete Synonyme für die rechts-konservative Regierung waren in der täglichen Berichterstattung unter anderem: „Rechtsruck“, „Soziale Kälte“ und „Orbanisierung“. Wie wir aber retrospektiv wissen, ist in Österreich auch nach der FPÖ-Regierungsbeteiligung weder der Faschismus ausgebrochen noch wurden Pressefreiheit oder Menschenrechte eingeschränkt. 

Zum bevorzugten Feindbild der Mainstream-Medien innerhalb der Regierung entwickelte sich der damalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl: Jede geplante Maßnahme (etwa die Sicherungshaft) wurde von Presse und Opposition zur nationalen Krise hochstilisiert, jedes Wort Kickls auf die Goldwaage gelegt und medial ausgeschlachtet. 

Bevölkerung zeigte sich unbeeindruckt

Die Bevölkerung zeigte sich freilich von den medialen Querschüssen gegen die rechts-konservative Regierung weitgehend unbeeindruckt. Trotz andauernder Negativ-Berichterstattung war die Beliebtheit der Regierung ungebrochen und hatte noch kurz vor dem Ibiza-Video laut Umfragen fast 60 Prozent Zustimmung bei den Befragten. Positiv bewertet wurde damals vor allem, dass statt gestritten gearbeitet wurde und bei den als wichtig erachteten Themen wie Sicherheit und Migrationspolitik neue Akzente gesetzt wurden.

Medialer Hype

Ganz anders bei der aktuellen Regierung: Allein die Aussicht, nach einer rechts-konservativen Regierung wieder eine linke Partei an der Macht beteiligt zu haben, war bei vielen Journalisten in den Leitmedien verheißungsvoll. Kann das eventuell damit zusammenhängen, dass wir in Österreich – bis hin zum öffentlich-rechtlichen ORF – eine sehr linkslastige Presselandschaft haben? Dementsprechend wurden schon die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und den Grünen sehr wohlwollend begleitet. 

Als dann die Regierungsbildung zwischen Türkis und Grün tatsächlich erfolgte, kannte die Begeisterung teilweise keine Grenzen. Internationale Medien sprachen von einem Vorbild für Europa, etwa die Neue Züricher Zeitung (NZZ): „Sind Kurz und Kogler erfolgreich, können sie über die Landesgrenzen hinaus zu einem Vorbild werden.“  Im „Spiegel“ las man dieses Mal statt warnender Worte oder zumindest Skepsis: „Es ist klar, dass die Politik dieser Zeit starke grüne Impulse braucht.“ Und weiter: „Österreich setzt sich damit womöglich an die Spitze in den Bemühungen um eine moderne, zeitgemäße Politik.“ 

Kritikfreie Berichterstattung

Auch die heimischen Medien reagierten fast ohne Ausnahme euphorisch: „Türkis-Grün: Das Beste aus beiden Welten“, titelte etwa „Profil“. Kritik gab es, wenn überhaupt, nur sehr verhalten und dann eher als Sorge formuliert. Etwa, ob eine Regierung mit dermaßen konträren Standpunkten überhaupt halten könne. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert: Die Grünen sind nach wie vor das Liebkind der Mainstream-Presse und werden auch vom ORF offensichtlich sehr wohlwollend behandelt. Regierungskritik gibt es beim ORF meist nur in Richtung ÖVP. Wenig verwunderlich, denn abgesehen von der ideologischen Nähe der meisten ORF-Journalisten sind mit den Grünen in der Regierung auch so Unannehmlichkeiten wie die Anschaffung der GIS-Gebühren vom Tisch. Schließlich beißt man nicht die Hand, die einen (medial) füttert.

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Verwelkende Vorschusslorbeeren

Aber trotz der Vorschusslorbeeren, die die neue Regierung und vor allen die Grünen von einem Großteil der Medien bekommen haben, zeigen sich bereits erste Abnutzungserscheinungen und ein Stagnieren der Beliebtheitswerte in den Umfragen.

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Das mag noch eine Zeit lang gut gehen, aber irgendwann müssen sich auch Kogler und seine grüne Ministerriege vor der immer unruhiger werdenden Basis und vor allem vor dem Wähler verantworten. Und dann könnte das konservativ-grüne Experiment in Österreich auch schnell wieder zu Ende sein. Am Ende des Tages zählt für eine Partei nämlich nicht die Beliebtheit bei Journalisten, sondern die Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung. 

Über den Autor

Anton Preinsack ist „gelernter“ Drehbuchautor (Filmschule Wien, Drehbuchpreis der Stadt Salzburg 1999) und hat über viele Jahre als Journalist im Bereich Film und Medien gearbeitet, u.a. für „Celluloid“, „MediaBiz“ und „e-media“ („News“-Verlag).  Aktuell schreibt er als Gastautor für den Internet-Blog „ORF-Watch“ und seit Kurzem auch für das Magazin Info-DIREKT.

 

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