Ukraine-Konflikt: Sieben Jahre Krieg in Europa

Ukraine-Konflikt: Sieben Jahre Krieg in Europa
Foto: Аимаина хикари via wikimedia.org (CC BY-SA 3.0). Komposition: Info-DIREKT

Die EU lässt sich gerne als Friedensprojekt bezeichnen. In der Ukraine hat sie jedoch reichlich Öl ins Feuer gegossen. Jetzt gibt es neue Hoffnung.

Dieser Beitrag von Herbert Fritz ist im Printmagazin Nr. 31 „Die Grünen: Über den Tisch gezogen und nach rechts gerückt!“ erschienen, das Sie jetzt kostenlos zu jedem Abo erhalten.

Der Krieg im Donbass geht nunmehr ins siebente Jahr. Bisher haben schon 13.000 Menschen ihr Leben verloren. Doch wie konnte es im 21. Jahrhundert in Europa so weit kommen?

Stimmung der Bevölkerung wandelte sich

Wie bei allen Kriegen muss auch hier zwischen Ursache und Anlass unterschieden werden. Seit der euphorisch begrüßten Unabhängigkeit der Ukraine 1991 hatte sich die Stimmung in der Bevölkerung im Laufe der Jahre gewandelt.

Sie war in Wut und Enttäuschung über die wirtschaftliche Lage, die Korruption und über den Raub der Oligarchen am Volksvermögen umgeschlagen. Für die russische Bevölkerung kam noch die systematische Benachteiligung ihrer Muttersprache dazu.

Das Assoziierungsabkommen mit der EU

Die am 21. November 2013 überraschend erfolgte Erklärung der ukrainischen Regierung, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union vorerst nicht unterzeichnen zu wollen, wonach EU und Internationaler Währungsfonds zunächst um finanzielle Hilfe für den Staatshaushalt der Ukraine gebeten werden sollte, der kurz vor dem Staatsbankrott stand, war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Bürgerproteste flammten auf, die gegen Monatsende Massencharakter annahmen. Allerdings gaben nur 28 Prozent bei einer umfassenden Befragung in Kiew an, wegen der Verweigerung der Unterschrift zu demonstrieren, 72 Prozent dagegen protestierten gegen das System, gegen Korruption und Oligarchie sowie für den Rücktritt des Präsidenten. Noch im Dezember wurde die westliche Einmischung offensichtlich: Catherine Asthon, EU-Außenbeauftragte, kam nach Kiew, der republikanische US-Senator John McCain, ein bekannter Scharfmacher, und der EU-Parlamentarier Elmar Brok sprachen zu den Demonstranten am Majdan Nesaleschnosti in Kiew.

Dennoch unterzeichneten die Ukraine und Russland am 17. Dezember 2013 eine Reihe von Verträgen, die u.a. eine beachtliche Senkung des Preises für russische Erdgaslieferungen sowie den Kauf ukrainischer Staatanleihen in Höhe von 15 Milliarden Dollar in Aussicht stellten, die die Ukraine dringend benötigte, um kurzfristige Schulden zu begleichen. Im Anschluss daran ebbten die Proteste zunächst ab, flammten aber am 19. Jänner 2014 ohne ersichtlichen Grund wieder auf. Drei Tage später gab es die ersten drei Todesopfer.  Unter den Demonstranten befanden sich Hooligans, polizeibekannte Schläger und verurteilte Schwerverbrecher.

Spaltung der Protestbewegung

Ende Jänner 2014 begann die gemeinsame Opposition zu zersplittern. Während die sozialpolitischen Forderungen im ganzen Land geteilt wurden, lehnten die Bewohner der Ostukraine eine stärkere ökonomische Anbindung an die Europäische Union und eine sicherheitspolitische Kooperation mit der NATO mehrheitlich ab.

Sie organisierten  Gegendemonstrationen, den sogenannten Anti-Maidan, der seit Februar 2014 in militärische Auseinandersetzungen überging. Die dortigen Kampfhandlungen finden zwischen von Russland unterstützten Milizen, regulären russischen und ukrainischen Truppen sowie Freiwilligenmilizen statt. Die prorussischen Kräfte kämpfen für die Abspaltung der zwei durch sie proklamierten Volksrepubliken Donezk und Lugansk von der Ukraine. 

Am 11. Mai 2014 wurde im Donbass in beiden „Oblasten“ ein von der EU nicht anerkanntes Referendum über mehr Eigenständigkeit abgehalten, wobei sich in Donezk knapp 90 und in Lugansk sogar 96 Prozent dafür ausgesprochen hatten.

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NATO-Beitritt als Gefahr

Am 7. Februar 2019 wurde das Ziel des EU-Beitritts zusammen mit jenem des NATO-Beitritts in der Verfassung verankert, was als Provokation Russlands gewertet werden muss. Im Zuge der Verhandlungen über die Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten war Gorbatschow verbindlich zugesagt worden, die NATO würde sich nicht in Richtung Osten ausdehnen. Heute steht sie an den Grenzen Russlands!

Neben anderen prominenten westlichen Politikern kritisierte auch Altkanzler Gerhard Schröder in der „Zeit-Matinee“ am 9. März 2014, die EU hätte beim Assoziierungsabkommen angesichts der kulturellen Teilung der Ukraine kein Entweder-oder formulieren dürfen. Ein Sowohl-als-auch wäre vernünftiger gewesen. Schröder verwies auch auf die nachvollziehbaren Einkreisungsängste der russischen Regierung angesichts der Entwicklungen der Vergangenheit und auch Henry Kissinger hatte klar erkannt: „Die Ukraine darf mit der EU alles Mögliche abschließen, wenn sie keinem militärischen Bündnis beitritt.“

Vernünftige Lösung in Sicht

Seit der Wahl von Wolodymyr Selenskyjs zum ukrainischen Präsidenten am 21. April 2019 kam Bewegung in die festgefahrenen Fronten. Sichtbares Zeichen dafür war der Austausch von Gefangenen, aber auch der Wiederaufbau der Brücke von Staniza Luhanska.

Mittlerweile bekennen sich die Vertreter Russlands, der Ukraine und der Separatistengebiete Donezk und Luhansk zu der sogenannten Steinmeier-Formel. Darin einigten sich die Konfliktparteien auf eine Truppenentflechtung an den Konfliktpunkten sowie auf einen Sonderstatus für den Zeitpunkt von Lokalwahlen in den Separatistengebieten.       

Dauerhafte Regelung erst nach Abstimmung                   

Eine dauerhafte Regelung für die Separatistengebiete will die ukrainische Regierung aber erst nach einer frei und fair verlaufenen Abstimmung gewähren.

Die Ukraine verpflichtete sich darin, nach Beendigung der Kampfhandlungen und Wiedergewinnung der vollständigen Kontrolle der Grenzen zu Russland den Separatisten weitreichende Autonomie zu gewähren.

Österreich als Vorbild?

Tatsächlich war es schon seit Ausbruch der Kämpfe klar, dass durch die russische Unterstützung der Aufständischen Kiew den Stand vor Beginn des Krieges nicht mehr herstellen wird können. Andererseits war ebenso klar, dass Russland nach der Annektierung der Krim sich nicht ein weiteres Gebiet einverleiben wird können. Die Steinmeier-Formel beschreibt nur die logische Lösung der Probleme im Donbass. Ein weit größeres Problem stellt aber der angestrebte NATO-Beitritt der Ukraine dar. Ob angesichts der kulturellen Teilung des Landes die einseitige – vor allem militärische – Westbindung nicht den Keim für künftige Unruhen und neuerliche Destabilisierung der Ukraine legt? Eine militärische Neutralität nach dem Vorbild Österreichs wäre wohl die vernünftigste Lösung!

Über Herbert Fritz

Herbert Fritz, geboren 1939 in Wien, ist promovierter Jurist, Buchautor und ein wahrer Völkerfreund. Den Oktober 2019 verbrachte er in den beiden international nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk, wo er an einem Gymnasium als deutscher „Muttersprachler“ den Deutschunterricht ergänzte, wobei er sowohl in Donezk als auch in Luganz Vorträge an den dortigen Universitäten hielt.

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