Weißrussland: Auf dem Speiseplan des Westens

Bild Lukaschenko: Serge Serebro, Vitebsk Popular News, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons, Proteste 2015: Bild: Marco Fieber via flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

Am 10. August hatte das weißrussische Staatsfernsehen einen überwältigenden Wahlsieg des bisherigen Präsidenten Alexander Lukaschenko verkündet. Er habe, so hieß es, 80,2 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen können. Seitdem vergeht kein Wochenende, an dem demonstrierende Menschenmassen in Minsk ihm nicht Wahlbetrug vorwerfen und seinen Rücktritt fordern. Westliche Staaten und NGO heizen die Stimmung an, sodass die Proteste ein bislang ungesehenes Ausmaß erreichten.

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Dazu schreibt die FAZ vom 29. August u. a.:

„Typisch das Verhalten der EU: Während sie sich von dem türkischen Despoten auf der Nase herumtanzen lässt, ihm noch Waffen liefert, droht sie Lukaschenko mit Sanktionen.“

EU mit zweierlei Maß

So hatten sich die EU-Außenminister am Freitag, dem 28. August, auf neue Sanktionen gegen Belarus verständigt: „Wenn Herr Lukaschenko den Druck auf die friedliche Zivilgesellschaft erhöht, dann müssen wir als EU den Druck auf Herrn Lukaschenko erhöhen“, tönte der deutsche Außenminister Heiko Maas.

So peinlich und widerwärtig das Verhalten der EU gegenüber dem weißrussischen Präsidenten im Verhältnis zu dem türkischen Despoten auch ist, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich hier um die konsequente Fortsetzung dessen handelt, was Lord Ismay, der erste Generalsekretär der NATO, hinsichtlich ihrer Ziele für Europa bezeichnet hatte: „to keep the Russians out, the Americans in and the Germans down“ (die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen niederzuhalten). US-Dokumente aus den 1960-er Jahren belegen, dass der lockere Spruch der tatsächlichen Intention entsprach.

Dass die NATO nach wie vor ihre ursprünglichen Ziele verfolgt, beweist allein schon die Tatsache, dass sie heute an den Grenzen Russlands steht, obwohl im Zuge der Verhandlungen über die Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten Gorbatschow verbindlich, wenn auch nur mündlich, zugesagt worden war, die NATO würde sich nicht in Richtung Osten ausdehnen.

Mit den Massendemonstrationen ist Weißrussland zu einem neuen Kriegsschauplatz im geopolitischen Kampf um den postsowjetischen Raum geworden. Der Westen hat sich in diesem Konflikt deutlich positioniert und macht aus seiner Einmischung kein Hehl. Das Land ist geopolitisch und strategisch zu wichtig, um es einer demokratischen Bürgerbewegung zu überlassen.

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Minsk als Mittler zwischen Ost und West

Gegen Ende der 1990-er Jahre begann ein Aufschwung mit jährlichen Wachstumsraten von sieben bis acht Prozent. Auch wenn in der Folge das gutnachbarliche Verhältnis wiederhergestellt war, so blieb doch ein grundsätzlicher Interessenskonflikt: Russland ist bestrebt, den 1996 beschlossenen Unionsstaat zu verwirklichen, was mit dem weitgehenden Verlust weißrussischer Souveränität verbunden wäre, und Lukaschenko, der dadurch faktisch zu einem Provinzgouverneur degradiert werden würde, handelte daher nach dem Gaius Julius Caesar zugeschriebenen Spruch: „Ich möchte lieber der Erste hier als der Zweite in Rom sein.“ Er versuchte, die Unabhängigkeit seines Landes – und damit seine Stellung als Präsident – durch eine geopolitische Schaukelpolitik zu bewahren, und hoffte, dass dies durch eine vorsichtige Öffnung zum Westen und einer gutnachbarliche Beziehung zu Russland von beiden Seiten akzeptiert würde. Tatsächlich arbeiten aber westliche Staaten und NGO seit 26 Jahren in Belarus auf einen Regimewechsel hin. Nach fast jeder Wahl waren Proteste organisiert und Sanktionen gegen den Staat und seine Vertreter verhängt worden.

Lukaschenkos Macht bröckelt

Es steht außer Frage, dass Lukaschenko autoritär regiert und kein Demokrat nach westlichen Vorstellungen ist, auch die ihm vom Westen vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen dürften zum Teil stimmen. Einen Vergleich mit dem von der EU und den USA hofierten Erdogan bräuchte er aber wahrlich nicht zu scheuen! Nachteilig dürfte sich seine Skepsis in Bezug auf die Gefährlichkeit des Coronavirus ausgewirkt haben und das Abtun der Gefahren als „Psychose“; ebenso die Verhaftung seiner beiden größten politischen Kontrahenten, Wiktar Babaryka und Sjarhej Zichanouski. Die Diffamierung der Demonstranten war Wasser auf die Mühlen der von ausländischen Staaten und NGO finanziell und argumentativ aufmunitionierten Opposition. Eine neue Dimension erhielten die Demonstrationen aber dadurch, dass sie nicht – wie bisher – aus dem kleinen privaten Sektor kamen, sondern aus den Staatsbetrieben, die Lukaschenko als das Rückgrat seiner Herrschaft betrachtet. Es sind „seine“ Leute, die nun streiken und ihn ausbuhen.

Fehler des Präsidenten, weit mehr aber noch die jahrlange Beeinflussung der Bevölkerung durch von NGO und westlichen Staaten unterstützte Oppositionskreise zeigen Wirkung. Präsident Lukaschenko steht mit dem Rücken zur Wand, wie seine Ankündigung von Verfassungsänderungen und die Hilfsgesuche an Moskau zeigen. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Protestwellen allmählich erlahmen und Lukaschenko noch einmal davonkommt, oder – was wahrscheinlicher ist – er von Putin zu einem Rücktritt ohne allzu großen Gesichtsverlust bewegt werden kann. Der Westen dürfte – und damit die NATO – diese Schlacht (noch) nicht gewonnen haben.

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