Beruhigungspille statt echter Opposition: Russlands Kommunistische Partei

Beruhigungspille statt echter Opposition: Russlands Kommunistische Partei (KPRF)
Mann mit Maske: Symbolbild; Hintergrundbild: CC0; Bildkomposition: Info-DIREKT

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs sahen viele im Westen ein “Ende der Geschichte” anbrechen. Nach zwei heißen und einem kalten Krieg hatte sich die westliche Demokratie, Marktwirtschaft und Liberalismus weltweit durchgesetzt. So glaubte man zumindest …

Ein Gastbeitrag von Jörg Sobolewski

Doch 1993 ging auf einmal erneut das Gespenst des Kommunismus um. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) trat an um das Erbe von Marx und Lenin am Leben zu erhalten – und das anfangs mit großem Erfolg. In den Neunzigern konnte die Partei unter Genadij Sjuganow Wahlerfolge erzielen, die die Wendegewinner erzittern ließen. Denn im Russland der Neunziger war die Zahl der Wendeverlierer deutlich größer. Vor allem unter Rentnern und Staatsangestellten erfreute sich die Partei große Popularität. Nur eine Allianz aus Oligarchen und Kreml sicherte Boris Jelzin in den Neunzigern letztlich die Macht.

Doch nach dem Höhepunkt 1996 begann die Partei allmählich in der Wählergunst abzurutschen und verlor ihren Einfluss. Mehr und mehr begannen die Klassenkämpfer ihr politisches Kapital für persönliche Präferenzen in Verhandlungen mit Behörden zu nutzen.  Zur Jahrtausendwende kam schließlich Wladimir Wladimirowitsch Putin und mit ihm das Ende der Kommunistischen Partei als oppositionelle Kraft.

„Taschenopposition“ mit Ventilfunktion

Das sagt zumindest der renommierte Politikwissenschaftler Timofey Shevyakov, er bezeichnet die KPRF als “Taschenopposition”, als gebändigte Opposition die vor allem eine Ventilfunktion erfüllt.

“Seit Jahren stimmt die Fraktion der KPRF genauso ab, wie vom Kreml gefordert”,

so Shevyakov und verweist auf Abstimmungen zu Sozial- und Wirtschaftspolitik. Tatsächlich bemüht sich die Partei zumindest in den Debatten Ihren Anspruch auf eine oppositionelle Position zu bekräftigen. Regelmäßig fallen die Kommunisten in der Duma mit feurigen Redebeiträgen zu Rente und Sozialversicherung auf – mitunter auch mit einer kleinen Showeinlage aus geschwenkten roten Fahnen, doch in den Abstimmungen sei dies irrelevant. Sobald es hart auf hart kommt schwenkt Sjuganow ein, denn “die Kommunistische Partei will nicht die Macht übernehmen, sondern das Maximum aus ihrer Position heraus holen” und das heißt im politischen Moskau vor allem Geld und Einfluss. Die Kommunisten seien letztlich ein stabilisierender Faktor in Russland, der Protestwähler binde und von anderen Gruppierungen fernhalte.

“Beruhigungspille für Sowjetnostalgiker”

Auch außenpolitisch steht die KPRF fest an der Seite der Regierung. Während der Krimkrise befürwortete Sjuganow die russische Annexion der Krim. Für die Anliegen der Ukrainer hat er wenig übrig, diese seien “vom Westen fehlgeleitet”. Eine Ansicht, die nach aktuellem Stand vermutlich tatsächlich einiges für sich hat, in ihrer Einseitigkeit den Konflikt aber im Zweifel befeuern wird (lesen Sie hier mehr Hintergrundinfos dazu). Doch für Sjuganow gilt nur die Erinnerung an die Sowjetunion als politische Währung: “Beruhigungspille für Sowjetnostalgiker” nennt sie Shevyakov.

Tatsächlich hat die Kommunistische Partei ein großes Problem, ähnlich wie der ostdeutschen “Linken” ist ihre Mitgliederstruktur überaltert. Auch große Paraden der jungen Pioniere auf dem Roten Platz können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Altersdurchschnitt der KPRF deutlich über Fünfzig liegt. Kaum ein junger Mensch kann sich für die Parolen von vorgestern begeistern und wenn man Shevyakov glaubt dann ist das auch durchaus beabsichtigt. Die KPRF bindet unzufriedene Wähler aus den unteren Einkommensschichten. Vor allem Rentner, die immer noch zu den größten Verlierern der Wende zählen.

Parallele zur bundesdeutschen Parteilandschaft

Aber diese Wähler verschwinden letztlich auf biologischem Weg, bis dahin wird ihre Stimme in der KPRF für die Regierung mehr oder weniger schadlos abgeleitet. Shevyakov zieht hier eine Parallele zur bundesdeutschen Parteienlandschaft, denn auch unter der Regierung Merkel seien “die Linken eher eine harmlose Opposition”. Für eine einst revolutionäre Partei fraglos eine beschämende Bezeichnung.

Über den Autor:

Jörg Sobolewski ist Politikberater und freier Journalist aus Berlin. Sein Schwerpunkt liegt auf der Geopolitik Osteuropas und Südamerikas. Er lebt und arbeitet in Berlin und Brüssel. 

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