Benedikt Kaiser: Solidarität ist ein patriotisches Urprinzip

Benedikt Kaiser: Solidarität ist ein patriotisches Urprinzip
Benedikt Kaiser

Auszug aus einem Info-DIREKT Interview mit Benedikt Kaiser zu seinem Werk „Solidarischer Patriotismus“ und zur Rolle der „Nationalliberalen“. Das vollständige Interview lesen Sie jetzt im Magazin Info-DIREKT, Ausgabe 38.

Info-DIREKT: Herr Kaiser, in der Corona-Krise haben viele Staaten gezeigt, dass sie weder in Sachen Gesundheit noch für die regionale Wirtschaft etwas Positives leisten können oder wollen. Während deshalb die Wünsche nach Privatisierungen wieder lauter werden, sieht Ihr Konzept des „Solidarischen Patriotismus“ das „Primat der Politik“, also das Vorrecht des Staates über die Wirtschaft, vor. Weshalb?

Benedikt Kaiser: Primat der Politik heißt zuallererst Vorrang von elementaren Gemeinschaftsinteressen gegenüber Interessen rein privatwirtschaftlicher Akteure. Das heißt nicht, dass letztere ignoriert oder gar generell bekämpft werden. Das heißt vielmehr, dass speziell in Abwägungsfragen entschieden werden sollte, was wichtiger ist: Sicherheit und Recht und Ordnung für die Vielen oder privater Profit für die Wenigen? Die gewährte Versorgungslage des Volkes in Grundbedürfnissen wie Wohnen, Sicherheit und Gesundheit oder das finanzielle Wohlergehen eines Unternehmens? Denken wir bloß mal an den Fall der elenden Masken: Für gewisse Wirtschaftsakteure in Deutschland war es monetär einträglich, Zellstoff nach China zu exportieren, wo er – auch aufgrund niedriger Lohnkosten – günstiger verarbeitet werden konnte. Das fertige Produkt kam dann nach Deutschland zurück. Von der Unsinnigkeit der Transportwege, der Umweltverschmutzung und der Umgehung unseres Arbeitsmarktes und der heimischen Wertschöpfung völlig abgesehen: Das macht uns verwundbar und abhängig. Kommen die Masken an? Was, wenn die Chinesen sie selbst benötigt hätten? Was ist also in Ausnahmezuständen wie einer „Pandemie“ wichtiger – das private Profitinteresse oder die Versorgungssicherheit für die eigenen Leute? Anders gesagt: Es gibt Bereiche im Leben eines Volkes, die man Grundversorgung nennen könnte. Hier muss das große Ganze die Richtung vorgeben. Das Interesse der Privaten steht hier an zweiter Stelle. Das Politische, und das heißt auch: das geregelte Zusammenleben einer Gemeinschaft, hat Vorrang vor den Individualinteressen privatwirtschaftlicher Akteure. Es gibt Bereiche, in denen der Staat frei gewähren lassen kann, und es gibt Bereiche, in denen er seine Richtlinienkompetenz effektiv beanspruchen sollte.

Info-DIREKT: In diesem Zusammenhang gehen Sie mit den sog. „Nationalliberalen“ hart ins Gericht. Weshalb?

Kaiser: Sie sind die prägende Strömung in der deutschsprachigen Rechten seit Jahrzehnten. Daher muss man sie kritisieren. Denn meines Erachtens verhindern sie oftmals den Durchbruch wichtiger Erkenntnisse. Ihr Bemühen ist somit hinderlich für eine authentische, zeitgemäße – aber nicht zeitgeistige – Rechte. Nicht zuletzt auch, weil sie Symptome und Folgewirkungen kritisieren, deren Ursache sie gut finden! Sprich: Wer für „freie Märkte“ und freie Ströme von Kapital, Personen und Gütern ist, darf sich über Migration und Lohndruck nicht beschweren. Genau das aber machen viele. Ich halte es da mit Alain de Benoist, der als Kernproblem der Nationalliberalen bzw. Liberalkonservativen die Inkonsequenz ihrer Ideologie benennt:

„Sie wollen Masseneinwanderung begrenzen, aber folgen einer Doktrin, deren Motto ‚Laisser faire, laisser passer’ lautet und die den freien Personen-, Waren- und Kapitalverkehr fordert. Liberalkonservative geben vor, die nationale oder kulturelle Identität just durch eine Ideologie zu verteidigen, die jede Form der kollektiven Identität mit der Begründung ablehnt, dass Nationen und Völker nur zufällige Ansammlungen von Individuen sind – was Margaret Thatcher zu der Aussage verleitet hat, daß es auch ‚keine Gesellschaft’ gibt. Sie wollen den Stellenwert der eigenen Vergangenheit bekräftigen und gleichzeitig der Theorie des Fortschritts folgen. Sie wollen sich auf die ‚Effizienz des Marktes‘ verlassen, ohne zu sehen, dass der liberale, selbstregulierende und selbstregulierte Markt das Verschwinden von Grenzen zwingend verlangt.“

Besser kann man die geistige Erkenntnishemmung vieler Nationalliberaler nicht auf den Punkt bringen.

Info-DIREKT: Weshalb sollten patriotische Parteien sich der sozialen Frage und dem Thema der Solidarität annehmen?

Kaiser: Weil es das Naheliegende war, ist und bleibt. Während sich der idealtypische Liberale in der Mitte um das abstrakte Individuum und sein Vorankommen kümmert, verliert sich der idealtypische Linke in propagandistischer Solidarität mit einer abstrakten Menschheit. Der eine verabsolutiert den Einzelnen und lässt das große Ganze, die Nation, außen vor. Der andere verabsolutiert die angeblich volklose Masse und lässt ebenfalls die Nation außen vor. Solidarität als Schlüsselbegriff der sozialen Frage, ja die Verantwortung des Stärkeren für den Schwächeren in einem konkreten natürlichen Rahmen, ist demgegenüber ein echt rechtes Prinzip. Menschen verstanden und verstehen sich meist nicht als isolierte Einzelne, wie es individualistische Ideologien und sogenannte Anti-Kollektivisten vorgeben. Die meisten Menschen verstehen sich im Regelfall als Teil von Gemeinschaften. Ganz in diesem Geiste definierte der deutsche Denker Nikolai Hartmann Solidarität als „Bindung“, als „ein Zusammenstehen, ein Einstehen und Mitverantwortlichkeit der Person für Personen“. Und hier deutet sich bereits an: Der Solidarität sind Grenzen gesetzt. Solidarität ist exklusiv. Der Münsteraner Philosoph Kurt Bayertz hat dies auf den Punkt gebracht, als er definierte, dass „wir unter ‚Solidarität’ ein wechselseitiges Einstehen von Personen füreinander (verstehen), die durch spezifische Gemeinsamkeiten miteinander verbunden sind. Man ist ‚solidarisch’ mit Menschen, deren Geschichte, deren Überzeugungen oder Interessen man teilt – im Unterschied zu den Menschen, deren Geschichte, Überzeugungen oder Interessen man nicht teilt“. Auf gut deutsch: Solidarität ist ein patriotisches Urprinzip, und die zahlreichen sozialen Fragen – von Wohn- bis Rentenpolitik – sind das Feld, auf dem patriotische Parteien zeigen können, dass nur sie es sind, die Politik für das eigene Volk betreiben. Und eben nicht nur für Einzelne oder für bestimmte Schichten. Ein Patriot ist solidarisch mit den Seinen, weil sie sein Vaterland ausmachen – oder er ist eben nur ein Teil-Patriot.

Info-DIREKT: Was hat Sie dazu motiviert, die soziale Frage aus rechter Sicht zu stellen und mit dem „Solidarischen Patriotismus“ auch gleich zu beantworten?

Die Antwort auf diese Frage lesen Sie im Info-DIREKT Printmagazin, Ausgabe 38, das Sie österreichweit über den Zeitschriftenhandel beziehen können und jetzt kostenlos zum Abo erhalten.

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