„Gunnars Kochshow“: Geniale Satire oder „Kochlöffel des Grauens“?

Bildschirmfoto von "Gunnars Kochshow": Youtube; Bildkomposition: Info-DIREKT

Gunnar Lindemann sitzt zwar nicht in der unmittelbaren AfD-Führung, dafür ist er aber ein Liebling in sozialen Netzwerken. Mit seinem neuen YouTube-Format „Gunnars Kochstudio“ erregt er die Gemüter weit über die Grenzen der Partei hinaus. (Kochshow-Videos und ein Interview mit Lindemann am Ende des Textes.)

Ein Kommentar von Joachim Wiessner.

Zwei Folgen von „Gunnars Kochshow“ gibt es bislang auf YouTube. Die erste Folge hat mittlerweile die Marke von 130.000 Aufrufen geknackt. Sowohl eigene Anhänger als auch politische Gegner sind sich unsicher, wie die Show einzuordnen sei. Doch der Reihe nach:

Erfolgreicher Politiker

Gunnar Lindemann hat mittlerweile zwei Mal in Folge sein Direktmandat in Berlin-Marzahn für die AfD gewonnen und erfreut sich seit einiger Zeit großer Beliebtheit in sozialen Netzwerken. Seine Anhänger begeistert er durch einen sehr direkten und unkonventionellen Kontakt und Einblicke in das tägliche Marzahner Leben. Die üblichen Statussymbole der Politikerkaste sucht man bei Lindemann vergebens, statt einen Chauffeurdienst nutzt er die öffentlichen Verkehrsmittel. Bei Lindemann gibt es Currywurst statt Treffen mit Lobbyisten in Edelrestaurants.

Genau jene Einfachheit – von manchen auch als volksnahe Bodenständigkeit bezeichnet – prägt auch seine Kochshow: Kohlrouladen (erste Folge) bzw. Gulasch (zweite Folge) aus der Dose, eine vollgestellte kleine Eckküche mit Standardherd und Kochtipps wie den, zu lange Spaghetti einfach mittig zu zerbrechen sind die Hauptzutaten für die betont unprofessionell produzierten Kurzvideos. So mancher Zuseher blieb ratlos zurück: Ist das ernst gemeint oder einfach gute Satire?

Angefressene Gutmenschen

„AfD-Politiker Gunnar Lindemann schwingt wieder den Kochlöffel des Grauens“ titelte das Portal „tag 24“ darüber und ist sich in dieser Einschätzung mit vielen politischen Gegnern einig. Doch selbst der Verriss kommt nicht umher zu erkennen, dass „seine „Original Urban Convenience Cuisine“, eine verballhornte Anspielung an trendige Spitzengastronomie und somit Gegenpol“ und „als Ironie zu lesen ist. Es wird überformt, dass sich die Balken biegen.“

Von solcher Einsicht sind viele Lifestyle-Linke jedoch meilenweit entfernt: In unzähligen Kommentaren wird sich über dir kräftige Statur Lindemanns und die kleine Eckküche (immerhin die Lebensrealität Millionen Deutscher) lustig gemacht. Etwas intelligenter geht man bei den Steinzeitkommunisten vom „Neuen Deutschland“ vor, die die „Klassimus-Falle“ in Lindemanns YouTube-Format erkannt haben und vor einem „Honigtopf“ warnen:

„Seine Kochshow ist ein gezielt hingestellter Honigtopf, der tausende Kommentator*innen anlockte, die nun der AfD als vermeintlicher Beweis dienen, wie abgehoben ihre politischen Gegner*innen doch seien.“

Oder wie Beatrix von Storch es durchaus treffend auf den Punkt bringt:

„Lindemann kocht u. die linke Blase kocht über. Einer von uns hält denen den Spiegel vor: linksextreme Berufshetzer essen nicht aus der Dose. Noch wichtiger: sie verachten die, die sich den Gang zum fair-trade-vegan-Sterne-Koch nicht leisten können. Treffer versenkt.“

Kochshow nahe am Alltag

Wer sich die spöttisch-beleidigenden Kommentare abgehobener politischer Gegner, die unfreiwillig ihre Distanz von der Lebensrealität Millionen Deutscher zeigen, ansieht, kann dem nur zustimmen. Man mag über fertige Dosengerichte die Nase rümpfen, aber Gunnars Kochstudio

„dürfte (…) trotz überspitzter Inszenierung näher am Alltag in Millionen Haushalten sein, als die in vielen Medien reproduzierte Anspruchshaltung, wer nicht täglich frisch koche, der habe irgendwie und irgendwas in seinem Leben nicht unter Kontrolle. Dosenroulade ist dann nur noch Fertigfraß und nicht die logische Konsequenz daraus, dass nach einem vollgepackten Arbeitstag in Werkhalle oder Büro oft schlicht die Rest-Nerven fehlen, um in der Küche einen auf strahlenden Jamie Oliver zu machen. Von den vielfach fehlenden finanziellen Möglichkeiten einmal komplett abgesehen“,

wie das „Neue Deutschland“ weiter ausführt. Dass Lindemann als Abgeordneter über genug finanzielle Mittel verfügt, sich eine schicke Wohnung mit Hightech-Küche in einem der angesagten Berliner Bezirke und tägliche Restaurantbesuche zu leisten, verstärkt die Wirkung nur noch.

Der schmale Grad zwischen Satire und Peinlichkeit

Dennoch kann man auch (positive) Kritik an dem Projekt äußern, nämlich dahingehend, dass die Satire zu spitzfindig und gut gelungen ist. Wer sich die Staatssatiriker von Heute Show bis zum Haus- und Hofclown Jan Böhmermann ansieht, wird vor allem feststellen, dass die Satire stets so aufgebaut ist, dass sie auch der beschränkteste Zuschauer als solche erkennt. Auch bei der Kunstfigur „Cindy aus Marzahn“, die die Lebenswelt der unteren sozialen Schichten in grotesker Übertreibung zur Unterhaltung aufarbeitet, erkennt jeder auf den ersten Blick die maßlose Überspitzung. Diese Erkennbarkeit auf den ersten Blick gilt selbst für das betont intellektuelle Format „die Anstalt“. Bei vielen Zusehern Lindemanns, selbst im eigenen Lager, scheint dies jedoch nur bedingt der Fall zu sein.

Was bleibt aber von den Videos, wenn man die Satire darin nicht erkennt und keine Hintergründe über Lindemann weiß? Unzweifelhaft ein peinliches Bild. Und: Es ist zu befürchten, dass genau jenes bei Tausenden, vielleicht sogar Zehntausenden Zuschauern hängen bleibt. In Zeiten der Massenkommunikation, der Schnelllebigkeit und der weitestgehenden Entpolitisierung sind die Videos nur zwei von unzähligen Eindrücken, die auf den modernen Konsumenten zufliegen. Wer zwischen Instagrambildern und dem neusten trendenden Hashtag schnell ein Video konsumiert, wird selten Hintergründe recherchieren oder sich wirklich Gedanken um den Inhalt machen.

Lindemann hat vieles richtig gemacht, die betont unprofessionelle Art der Videos, die Kürze von wenigen Minuten, die Schwerpunktsetzung auf Unterhaltung und die erfolgreiche Vorführung der linken Schickeria. Doch für die politische Auseinandersetzung im Zeitalter der Massenkommunikation könnte die Satire zu fein sein.

Info-DIREKT Interview mit Gunnar Lindemann

Was Gunnar Lindemann selbst zu seiner Kochshow sagt, lesen Sie in diesem Info-DIREKT Interview: „Es hat einen ernsthaften Hintergrund“

„Gunnars Kochshow“

„Gunnars Kochshow“ wird jeden Freitag, um 14 Uhr, auf YouTube ausgestrahlt. Hier die ersten beiden Folgen:

Gunnars erste Kochshow:

Gunnars zweite Kochshow:

 

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