Nehammer: „Neutralität wurde uns von Sowjetkommunisten aufgezwungen“

Nehammer: "Neutralität wurde uns von Sowjetkommunisten aufgezwungen"
Bild Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP): BKA/Dragan Tatic; Bildausschnitt durch Info-DIREKT leicht verändert

Auf Twitter ist ein Video-Ausschnitt einer Pressekonferenz zu sehen. Darin beantwortet Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Frage eines Journalisten zur österreichischen Neutralität: (Videoausschnitt am Ende des Textes)

Ein Kommentar von Thomas Steinreutner

„Die Neutralität – die militärische Neutrailität, hat eine interessante Geschichte.“

Und weiter:

„Sie wurde uns aufgezwungen von den Sowjetkommunisten als Preis dafür, dass wir die Freiheit wieder erlangen konnten 1955.“

Russen: Gestern noch brave Befreier, heute böse Sowjetkommunisten

Mit seiner geschichtlichen Einschätzung hat Nehammer recht: Der Abzug der Besatzer war an die Forderung der „immerwährenden Neutralität“ Österreichs geknüpft. Interessant ist jedoch, in welcher Weise sich die Sprache der politischen Eliten diesbezüglich verändert hat: In den letzten Jahrzehnten wurden die „alliierten Besatzer“ zu „Befreiern“, denen man zur ewigen Dankbarkeit verpflichtet sei. Nun wird ein Teil dieser „Befreier“ offensichtlich doch wieder zu „Besatzern“. Mehr sogar: die Russen wurden von Nehammer nicht nur als Sowjets bezeichnet, sondern sogar als Sowjetkommunisten.

Wiener Russendenkmal mit dem Panzer platt machen

Nun ist eine Debatte darum entbrannt, ob man das riesige Russendenkmal am Schwarzenberg-Platz nicht entfernen oder zumindest verhüllen könnte. Der Chefredakteur des vermutlich ÖVP-nahen online-Blogs „exxpress“, Richard Schmitt, twitterte gestern sogar:

„Wenn Österreichs Bundesregierung nur etwas Mumm hätte, dann würde heute ein Leopard2 „am Weg zum Auftanken“ ganz unabsichtlich durch das #Russendenkmal am Schwarzenbergplatz rollen. Panzer-Unfälle passieren eben. Ups.“

Dabei verlinkte er auf Christian Ortner, der sich einen Nato-Beitritt Österreichs wünscht. Mehr dazu weiter unten im Text.

Neutralität für Elite nur noch ein lästiger Hemmschuh

Die „immerwährende Neutralität“ dürfte den etablierten Politikern in Österreich längst lästig geworden sein. Bereits bei den Verhandlungen um den EU-Beitritt Österreichs ab 1993 erwies sich das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955, in dem Österreichs Neutralität festgelegt ist, als störend. Es wurde jedoch eine Möglichkeit gefunden, Österreichs Neutralität soweit auszuhöhlen, dass der EU-Beitritt der Alpenrepublik 1995 möglich wurde. Nun kann (oder muss) sich Österreich sogar an Kriegen der EU beteiligen (Link zum Gesetzestext):

„Kampfeinsätze(n) im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten“.

Des Möchtegern-Kriegskanzlers willkommene Ablenkung

Besonders bei Kanzler Nehammer fällt auf, dass er im Kampf gegen Putin gerne eine führende Rolle übernehmen würde. Bei seinen Pressekonferenzen merkt man, wie sehr er sich in der Rolle des besorgten Kriegsherrn gefällt. Hinzu kommt, dass der Krieg in der Ukraine von Nehammers eigentlichen Problemen, wie dem Corona-Maßnahmen-Tohuwabohu, dem Impfzwang-Pfuschgesetz und dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss, ablenkt. So ist es nicht verwunderlich, dass Nehammer die Ukraine quasi zum Nachbarland Österreichs erklärt. Und anstatt sich um die Versorgungssicherheit der österreichischen Haushalte, Stromerzeuger und Industrie mit Gas zu kümmern, kündigt Nehammer an:

„Österreich wird sich nicht hinter seiner Neutralität verstecken“

Dass die Neutralität zahlreiche Möglichkeiten bietet, seine Bevölkerung vor kriegerischen Auseinandersetzungen zu bewahren und durch geschickte Diplomatie die verfeindeten Staaten zurück an den Verhandlungstisch zu bringen, will Nehammer offensichtlich nicht begreifen. Und das obwohl Österreich lange Zeit von vielen Ländern für seine Neutralität beneidet wurde und die Schweiz ihrer Neutralität vermutlich einen guten Teil ihrer Wirtschaftskraft verdankt.

Nato-Beitritt als großer Wunsch des Establishments

Während die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung die Neutralität nach wie vor sehr schätzt und schlaue Köpfe eine neutrale Ukraine als Pufferzone zwischen West und Ost vorschlagen, wird Österreichs Neutralität in Frage gestellt. So titelte die Presse am 25. Februar 2022:

„Soll Österreich der Nato beitreten?“

Die Frage stelle sich, weil „Russland über einen Nachbarn“ hergefallen sei. Dass die Ukraine nicht an Österreich grenzt, dürften in den letzten Tagen viele Journalisten und Politiker (darunter leider auch einige Patrioten) vergessen haben. Bereits einen Tag zuvor forderte Christian Ortner in einem „Presse“-Kommentar:

„Warum Österreich möglichst schnell der Nato beitreten sollte“

Und weiter:

„Wenn Russland militärisch über einen friedlichen Nachbarn herfällt, hat sich die ‚immerwährende Neutralität‘ der Republik endgültig ad absurdum geführt.“

Ortner fordert, dass Österreich einen Brief an das nordatlantische Verteidigungsbündnis Nato schreiben sollte, mit der Bitte:

Österreich wünscht, Teil dieser Militärallianz zu werden; jedenfalls solang eine EU-Armee nicht existiert.“

Pflichtvergessene Politiker als größte Gefahr

Die realen Probleme, die normale Bürger auch in Mitteleuropa ausgesetzt sind, werden von Tag zu Tag mehr. Die Gefahr geht dabei nicht unmittelbar von den USA, China, Russland oder einem Virus aus, sondern von Politikern, die sich vielem verpflichtet fühlen, nur nicht ihrem eigenen Volk.

Video: Nehammer über die von „Sowjetkommunisten“ aufgezwungene Neutralität:

 

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