Das Phänomen Sahra Wagenknecht

Das Phänomen Sahra Wagenknecht
Bild Sahra Wagenknecht ("Die Linke"): Martin Heinlein via flickr.com / Die Linke (CC BY 2.0)

Sahra Wagenknecht ist gleich ein doppeltes Phänomen innerhalb der Linkspartei, denn sie ist sowohl beim Volk als auch bei Rechten beliebt.

Joachim Wiessner über eine bei Rechten sehr beliebte Linke

Patriotische Kanäle teilen ihre Reden, AfD-Politiker beziehen sich auf sie, patriotische Medien wie Info-DIREKT rezensieren ihre Bücher und auch in der Gegenkultur wird die Marxistin aus dem Saarland behandelt: In einer Ausgabe von Hydra-Comics sieht man Plakate von ihr mit AfD-Logo und im Lied „Ich will so gern mit Sahra Wagenknecht…“ des Varieté Identitaire wird von gemeinsamer Liebe auf den Barrikaden geträumt (siehe Video am Ende des Beitrags). Doch abseits manchem Humor und der patriotischen Befeuerung der Konflikte in der Linkspartei gibt es auch Gefahren in solchen Liebeserklärungen.

Vernünftige Positionierung

Wagenknecht ist eine Ausnahme in der modernen Linkspartei. Sie kritisiert die „woke“ Linke, macht sich für soziale statt für linke Identitätspolitik stark und kritisiert sogar die Massenmigration. Zudem nimmt sie eine russlandfreundliche Haltung ein und bezeichnete die Grünen als gefährlichste Partei im Bundestag, sehr zum Hass großer Teile ihrer Partei. Die intellektuelle Politikerin ist ein beliebter Gast in Talkshows und auch in diversen großen Medien kann sie immer wieder ihre Meinung verbreiten. 

Die promovierte Philosophin ist unzweifelhaft das bekannteste und beliebteste Gesicht ihrer Partei – wer kennt dagegen beispielsweise die beiden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan? Beliebt dürfte Wagenknecht vor allem auch deshalb sein, weil sie gerade nicht den Mehrheitskurs ihrer Partei vertritt. Gerade bei Patrioten rennt sie immer wieder unter Beifall offene Türen ein. Dabei wird manches übersehen: Zum einen entspringen Wagenknechts Positionen nicht einer patriotischen Gesinnung, sondern ihrer traditionell marxistischen Ideologie. Sie ist nicht etwa eine Patriotin, die sich in der Partei geirrt hat, sondern eine marxistische Politikerin, deren Partei in den letzten Jahren zunehmend von der Identitätslinken übernommen wurde. Dass eine überzeugte Marxistin mittlerweile als wertkonservativ und Stimme der Vernunft wahrgenommen wird, sagt mehr über die allgemeine politische Lage als über sie aus. 

Stimmenfängerin für „Die Linke“

Und, worauf schon am Anfang hingewiesen wurde: Wagenknecht steht nicht stellvertretend für die moderne Linkspartei, ganz im Gegenteil sind sie und ihre Anhänger eine klare Minderheit innerhalb der Partei, in der verschiedene Funktionäre bereits ihren Ausschluss fordern. Dass dieser noch nicht erfolgt ist, hängt maßgeblich damit zusammen, dass ein solcher Ausschluss den Verlust der Bundestagsfraktion der Partei bedeuten würde – und damit von jeder Menge Geld und bezahlten Posten. Zudem ist Wagenknecht immer noch eine Stimmenfängerin für die Partei, die auf dem besten Weg zur Splitterpartei ist. Das wissen Wagenknecht, aber auch ihre Gegner – scheinbar aber viele Patrioten nicht. 

Zeugin gegen Lifestyle-Linke

Eine wie auch immer geartete Querfront wird es mit Wagenknecht nicht geben, genauso wenig wie einen Übertritt der Marxistin zur AfD. Noch letztes Jahr hat sie in einer Talkshow dem AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt unterstellt, von Neonazis durchsetzt zu sein und spricht sich immer wieder gegen die Partei aus. Wenn Patrioten sie immer wieder bewerben, legen sie nicht den Grundstein für eine Querfront oder einen Parteiwechsel, sondern werten eine Feindin auf, die von ihrer Partei bewusst zur Gewinnung von Wählern geduldet wird, die auch AfD wählen könnten. Man agiert also nicht über Parteigrenzen hinweg, sondern erledigt auch noch die Arbeit der Konkurrenz für sie. Darf man Wagenknecht also gar nicht thematisieren? Doch, natürlich, als Zeugin gegen Lifestyle-Linke und durch Verweise auf überparteiliche Gemeinsamkeiten. Jedoch darf man dabei nie ihre taktische Rolle in der Linkspartei vergessen.

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