Gretchenfrage an Landbauer: „Nun sag‘, wie hast du’s mit Mikl-Leitner?“

Gretchenfrage an Landbauer: „Nun sag', wie hast du's mit Mikl-Leitner?"
Bild ÖVP-Niederösterreich-Chefin Johanna Mikl-Leitner: By Wikimedia Commons/Karl Gruber, CC BY-SA 4.0, Link; Bild FPÖ-Niederösterreich-Chef Udo Landbauer und Bildkomposition: Info-DIREKT

Vermutlich das erste Mal seit Jahrzehnten beweist die SPÖ zumindest etwas politisches Geschick. In Niederösterreich ließen die Roten gezielt die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP platzen. Darauf muss nun auch FPÖ-Niederösterreich-Chef Udo Landbauer reagieren. Seine Wähler beobachten das mit Spannung.

Ein Kommentar von Michael Scharfmüller

In den Verhandlungen über eine Regierungszusammenarbeit in Niederösterreich stellte die SPÖ nach wochenlangen Verhandlungen immer absurdere Forderungen an die ÖVP, die trotz hoher Verluste als stimmenstärkste Partei aus der Landtagswahl Ende Jänner hervorging. Interessant ist das auch deshalb, weil die SPÖ in den von ihr regierten Ländern die Möglichkeit hätte, diese Forderungen umzusetzen, dort aber nicht einmal daran denkt. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass die SPÖ aus politischem Kalkül die Koalitionsverhandlungen platzen ließ.

SPÖ-Trick setzt FPÖ unter Druck

Der rote Plan dürfte aufgehen: Etablierte Medien feiern die SPÖ-Niederösterreich nämlich kritiklos für ihren Forderungskatalog. Zudem hat das Verhalten der SPÖ einen zweiten Vorteil für das Establishment: Die FPÖ wird unter Druck gesetzt.

Nun verhandelt die ÖVP-Niederösterreich nämlich mit der FPÖ-Niederösterreich über eine Regierungszusammenarbeit. Spätestens am Ende dieser Verhandlungen muss sich Udo Landbauer die niederösterreichische Form der Gretchenfrage stellen:

„Nun sag‘, wie hast du’s mit der Mikl-Leitner?“

Landbauer-Pressekonferenz gibt Raum für Spekulationen

Wobei sich diese Frage erst gar nicht stellen dürfte, schließlich war es im Wahlkampf das Hauptversprechen der FPÖ das System Mikl-Leitner zu beenden. Das Konterfrei der ÖVP-Landeshauptfrau war sogar auf zahlreichen Wahlplakaten der FPÖ abgebildet. In einer Pressekonferenz vor zwei Tagen wurde Landbauer von einem Journalisten darauf angesprochen, seine Antwort:

„Die internen Prozesse und vor allem Personalangelegenheiten der einzelnen Parteien sind deren Angelegenheiten, da mische ich mich nicht ein.“

FPÖ-Wähler mahnen zur Vorsicht

Diese Aussage stößt nun vielen FPÖ-Wählern sauer auf. Auf Landbauers Facebook-Seite sind dazu viele kritische Kommentare zu finden. Eine Nutzerin, die von Facebook als Landbauer-„Top-Fan“ markiert wurde, schreibt:

„Udo, bitte halte dein Wahlversprechen – niemals mit Mikl. Tu es für deine Glaubwürdigkeit und die der gesamten FPÖ. Stellt euch nicht wieder selbst ein Bein. Gerade jetzt, wo es so gut für euch läuft.“

Eine andere Nutzerin meint:

„Mikl muss weg und dafür wurdet ihr gewählt!“

Charaktertest für die FPÖ

Für die FPÖ – und zwar nicht nur in Niederösterreich – ist die Frage, ob man mit Mikl-Leitner zusammenarbeiten will, von großer Bedeutung. Viele Wähler dürften damit nämlich diese Frage verknüpfen:

„Meint es die FPÖ ehrlich mit uns, oder erzählt sie uns nur das, was wir hören wollen, bis sie selbst wieder am Futtertrog ist?“

Taktiert auch Landbauer, um Österreich vom System ÖVP zu befreien?

Dass Landbauer bei seiner Pressekonferenz Zweifel daran aufkommen ließ, ob er sich an sein zentrales Wahlversprechen hält, mögen viele als ungeschickt werten, könnte aber auch Taktik sein, um den Druck auf die ÖVP zu erhöhen, Mikl-Leitner fallen zu lassen. So könnte es sein, dass Landbauer ein gutes Regierungsprogramm mit der ÖVP-Niederösterreich erarbeitet und dann, wenn alles quasi in trockenen Tüchern ist, vor die Medien tritt und verkündet:

„Mikl-Leitern muss weg. Sie steht als Asylanten-Mutti und Mutter der Impfpflicht für all das, was wir als Freiheitliche ablehnen. Mit der Person Johanna Mikl-Leitner gibt es keine Zusammenarbeit!“

Taktisch wäre diese Vorgangsweise ebenso klug wie gefährlich. Einerseits könnte es der FPÖ im von der ÖVP dominierten Salzburg, wo am 23. April gewählt wird, Rückenwind geben. Zudem könnte es die Glaubwürdigkeit der FPÖ nochmals massiv anheben, wenn ein fertig ausverhandeltes Programm wieder verworfen wird, weil das zentrale Wahlkampfversprechen nicht enthalten ist. Außerdem würde diese Vorgangsweise innerhalb der ÖVP für massives Rumoren sorgen und vielleicht die Grundlage dafür bilden, das System ÖVP-Niederösterreich nachhaltig zu schwächen. Der schwarzen Schlange wäre dann wohl für einige Zeit der Kopf abgeschlagen. Das würde man auch im Bund spüren, wo die ÖVP-Niederösterreich seit Jahrzehnten die Fäden zieht.

Anderseits könnte diese Taktik – sofern es sie überhaupt gibt – auch nach hinten losgehen. Hier zwei Gefahren, die damit verbunden sind:

  • Innerhalb der FPÖ könnten einzelne Funktionäre, Politberater und Mitarbeiter plötzlich ganz gierig auf „echte Regierungsarbeit“ und die damit verbundenen Annehmlichkeiten werden. Dieses Verlangen wieder einzufangen, könnte sich als schwierig herausstellen.
  • Die eigenen Wähler könnten Zweifel an der Redlichkeit von Landbauer und Co. bekommen, wenn sich die Verhandlungen in die Länge ziehen oder von der ÖVP vorzeitig aufgekündigt werden.

Höchstes Gut: Glaubwürdigkeit

Seit Herbert Kickl die Verantwortung in der FPÖ übernommen hat und den Kurs der Partei vorgibt, ist die Partei wieder tonangebende Kraft in ganz Österreich. Das liegt nicht nur an Corona, wie viele Analysten immer wieder meinen, sondern an der hohen Glaubwürdigkeit, die sich die FPÖ in den letzten beiden Jahren erarbeitet hat. Vor einigen Wochen titelte das Profil deshalb ganz groß:

„Wer stoppt Herbert Kickl?“

Die Antwort darauf ist einfach: Die FPÖ kann sich nur selbst stoppen. Der Höhenflug der Freiheitlichen ist dann vorbei, wenn sie beginnt sich anzupassen und ihre zentralen Wahlversprechen bricht. Damit würde sie nämlich ihr höchstes Gut verspielen. Das Alleinstellungsmerkmal der FPÖ ist nämlich ihre Geradlinigkeit und ihre Glaubwürdigkeit.

Vorsicht: FPÖ-Wähler sind sehr kritisch

Zuzulassen, dass Mikl-Leitner erneut zur Landeshauptfrau gewählt wird, wäre ein Sündenfall, der lange in Erinnerung bleiben würde. Auch beschwichtigende Aussagen wie: „Es gehe nicht um Personen und persönliche Eitelkeiten, sondern darum das Land zu gestalten“, wie man sie nun schon vereinzelt aus Niederösterreich vernehmen kann, würden daran lange nichts mehr ändern. Es kann schon sein, dass die Stammwähler von SPÖ, ÖVP und Co. politisch völlig dumm sind, die FPÖ-Wähler sind das nicht, sie merken sich, wer sie einmal verraten hat. Die Rechnung dafür gebe es dann im April in Salzburg und bei der Nationalratswahl im nächsten Jahr. Das wissen auch ÖVP und SPÖ, deshalb werden sie nichts unversucht lassen, Landbauer und Mikl-Leitner politisch zu „vermählen“.

Wie groß die Empörung darüber ist, dass Landbauer bei seiner Pressekonferenz Raum für Spekulationen ließ, kommt auch in Video-Kommentaren von „Neue Normalität“ zum Ausdruck. Hier einer davon:

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