Fast untergegangen unter den Ereignissen der letzten Tage ist eine bizarre Behauptung von Donald Trump: „Ich war derjenige, der Nord Stream beendet hat.“
Ein Kommentar von Johannes Konstantin PoensgenBei seinem öffentlichen Treffen mit Friedrich Merz wurde Trump von einem deutschen Reporter gefragt, ob er bereit sei, mehr Druck auf Putin auszuüben, um den Krieg zu beenden und ob er weitere Sanktionen gegen Russland und auch gegen China erheben würde. Anstatt die Frage direkt zu beantworten, kam Trump mit einer selbst für ihn merkwürdigen Behauptung:
„Zur Erinnerung, ich war derjenige, der Nord Stream 2 beendet hat. Die lief zu einem Ort namens Deutschland, wenn ich darüber nachdenke.“
Dann wandte er sich lachend an Merz:
„Tut mir leid, dass ich das gemacht habe, ich weiß nicht.“
Wieder an den Reporter gewandt fuhr er fort:
„Aber ich habe Nord Stream 2 beendet. Niemand sonst hat es gemacht. Und dann, als Biden ins Amt kam, hat er sie genehmigt. Das ist die größte Pipeline der Welt.“
Daraufhin fuhr er fort, Amerikas Öl- und Gasreserven anzupreisen und einen Deal vorzuschlagen.
Nein, Nord Stream ist nicht die größte Pipeline der Welt
Beginnen wir mit der letzten Behauptung: Nein, mit seinen 1.230 km ist Nord Stream 2 nicht annähernd die längste Pipeline der Welt. Diesen Rekord hält die West-Ost-Pipeline in China mit 7,378 km. Geht man nach Transportvolumen, so stellt die ebenfalls durch den Ukrainekrieg stillgelegte Transgas-Pipeline mit 120 Milliarden Kubikmetern im Jahr selbst die gemeinsame Kapazität von Nord Stream 1 und Nord Stream 2 von 110 Milliarden Kubikmetern in den Schatten.
Nein, Nord Stream wurde unter Biden beendet
Mag man diese Übertreibung noch Trumps Liebe zum Superlativ zuschreiben, die Behauptung, dass er Nord Stream beendet hätte, ist schlicht grotesk. Es stimmt, dass die US-Administration unter Trump gegen die Pipeline war, wie auch zuvor schon unter Obama und nach ihm unter Biden. Nur hat die deutsche Regierung sich darüber wenig geschert. Das Hauptproblem waren damals die sekundären Sanktionen, die die Vereinigten Staaten gegen deutsche Privatunternehmen verhängt hatten, die am Bau von Nord Stream 2 beteiligt waren. Der Ukrainekrieg, der Nord Stream dann den Garaus machte, begann erst über ein Jahr, nachdem Trump das Weiße Haus verlassen hatte.
Als Ende 2021 die Lage zwischen Russland und der Ukraine immer angespannter wurde, standen Joe Biden und Olaf Scholz zusammen in einer Pressekonferenz, und Biden erklärte in Anwesenheit des nebenstehenden Bundeskanzlers, dass die USA Nord Stream beseitigen würden, sollten russische Truppen die Grenze überschreiten. Der Anschlag auf die Pipeline erfolgte dann am 26. September 2022.
Wird Trump einfach alt?
Trump ist bekannt für seine Bombastik, und auch die eigenen Anhänger würden ihm nicht gerade Zurückhaltung attestieren. Aber diese Behauptung, er habe Nord Stream beseitigt, ist bizarr. Vor allem, dass er das einem deutschen Reporter gegenüber sagt. Nun, Trump wird in wenigen Tagen, am 14. Juni, 79 Jahre alt. Für sein Alter ist er immer noch sehr fit, aber eben nur für sein Alter.
Wer seine Auftritte über das letzte Jahrzehnt beobachtet hat, dem ist nicht entgangen, dass die Zeit ihren Tribut fordert. Er ist nicht senil wie sein Vorgänger, der sich auf offener Bühne verirrte und nicht mehr wusste, wo er eigentlich war. Aber die Art, wie er öffentlich redet, hat immer mehr von einem Opa, der seinen Enkeln Geschichten erzählt und dabei auch mal etwas durcheinanderbringt.