Benjamin Hasselhorn, ein Historiker der Universität Würzburg mit doppeltem Doktortitel, stand im Frühjahr 2025 im Zentrum einer aufgeladenen Debatte. Ihm wurde von einer linken Studentengruppe vorgeworfen, zur „neurechten Diskursverschiebung“ an der Hochschule beizutragen. Um den Auslöser und die folgenden Entwicklungen zu verstehen, müssen wir fünf Jahre zurückblicken.
Karl Sternau über ein Musterbeispiel dafür, wie man sich nicht verhalten sollte, wenn einen die linke Jagdgesellschaft in Visier nimmt.
Im Januar 2020 kam es im Deutschen Bundestag im Rahmen der Verhandlung um die Entschädigungsforderung der Hohenzollern zu einer Anhörung von Historikern. Hasselhorn nahm auf Einladung der CDU als Sachverständiger teil und widersprach der These, dass der Kronprinz Wilhelm von Preußen dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ geleistet habe.
Angriffe von extrem linker Seite
Seit diesem öffentlichen Auftritt wurde Hasselhorn immer wieder vorgeworfen, dass er ein Teil eines rechten Netzwerkes sei. Besonders tat sich Niklas Weber, ein Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung, als Ankläger hervor. Statt sich seiner Promotion zur Eisenbahngeschichte zu widmen, schrieb er mehrere Artikel über Hasselhorn, u.a. in der Süddeutschen Zeitung und der taz. Weber versuchte mittels Sprach- und Inhaltsanalysen Pseudonyme von Hasselhorn in rechten Medien, vor allem in der Sezession, zu enttarnen. Bewiesen wurde lediglich, dass Hasselhorn unter seinem Klarnamen 2007/2008 in der Schülerzeitung „Blaue Narzisse“ geschrieben hat.
Die erste Distanzierung
Der Historiker bezog zu den Vorwürfen Stellung und verwies darauf, dass ihm „die politische Entwicklung“ der „Blauen Narzisse“ missfallen sei. Er distanzierte sich außerdem von der „ideologischen Ausrichtung der ‚Neuen Rechten‘ “. Letztlich verliefen die weiteren Vorwürfe Webers im Sande.
Im März diesen Jahres flammte die Debatte plötzlich wieder auf, als das Studentenparlament der Universität Würzburg in einem einstimmigen Beschluss die Universitätsleitung dazu aufforderte, die „neurechten“ Umtriebe am Lehrstuhl für Geschichte zu bekämpfen. Die Mainpost und der Bayerische Rundfunk griffen das Thema auf. Hasselhorn räumte gegenüber diesen Medien erstmals ein, tatsächlich unter anderem Namen für die Sezession geschrieben zu haben. Dies sei aber nur 2014 gewesen – vor deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Hasselhorns Chef, der Lehrstuhlinhaber Peter Hoeres, sprang ihm bei und betonte in Cicero, dass Hasselhorn sich in der Sezession nur für „positive Mitarbeit im demokratischen Staat“ ausgesprochen habe.
Vorläufiger Sieg
Eine positive Wendung für Hasselhorn nahm die Debatte Anfang April, als das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst entschied, dass „die von Teilen der Studierenden kritisierten Äußerungen und Publikationen, auch von Lehrstuhlmitarbeitern, in keiner Weise zu beanstanden sind.“ Diese Mitteilung entlastete Hasselhorn und den Lehrstuhl, was auch in einigen großen Medien zu lesen war. So brachte die NZZ folgende Schlagzeile:
„Die Historiker Peter Hoeres und Benjamin Hasselhorn sind von der Universität Würzburg umfänglich rehabilitiert worden“
Alles sah nach einem Sieg gegen die linke Jagdgesellschaft aus.
Lebensbeichte lieferte neue Munition
Zwei Wochen später trat Hasselhorn mit dem Beitrag „Wie ich eine Hexenjagd gegen mich erlebte“ auf www.welt.de noch einmal in die Öffentlichkeit. Dabei zeichnete er sein Leben nach und erklärte, wie er in das „ungute Fahrwasser“ der „Blauen Narzisse“ und der Sezession geraten sei. Bei dieser Gelegenheit nannte er auch Beispiele für von ihm unter Pseudonym verfasste Texte. Außerdem gestand er ein, auch in die AfD (noch unter Bernd Lucke) eingetreten zu sein. Nachdem die Sezession um Götz Kubitschek keine Lucke-AfD wollte, habe Hasselhorn das Projekt verlassen:
„Als mir klar wurde, dass ich damit auf verlorenem Posten stehe, habe ich jeden Kontakt zur ‚Sezession‘ und zum Institut für Staatspolitik abgebrochen, auch [Karlheinz] Weißmann hat das Institut damals verlassen. Die AfD hat sich seitdem genau in die fatale Richtung einer ‚Fundamentalopposition‘ entwickelt, ich bin daher 2019 wieder ausgetreten, und ich habe meine politische Heimat in der CSU gefunden.“
Zudem distanzierte er sich von der politischen Richtung „rechts“ per se und seinem ehemaligen Gymnasiallehrer und Mentor Weißmann sowie der „sukzessiven Radikalisierung der AfD“.
Hier drängt sich die Frage auf: Was geschah zwischen dem ministeriellen Freispruch und dem Welt-Artikel? Selbst wenn Hasselhorn durch Informationen, wie seine AfD-Mitgliedschaft, unter Druck gesetzt worden wäre, war die Flucht nach vorne mit einem Bekenntnis- und Distanzierungsbeitrag keine gute Idee. Hasselhorn-Jäger Weber reagierte nämlich prompt in der FAZ und verwertete die neuen Informationen. So konnte er aus dem Geständnis Hasselhorns weitere Pseudonyme ableiten. Flankiert wurde dieser Beitrag Webers von FAZ-Redakteur Patrick Bahners, der die Entlastung durch das Ministerium in Frage stellte. Kubitschek reagierte übrigens auf die Distanzierung mit dem freundlichen Hinweis:
„Man kann, wenn man ganz gut aus der Sache herauskam, ‚auch mal einfach die Klappe halten‘ (um einen guten Freund zu zitieren).“
Hasselhorn plappert weiter
Daran hielt sich Hasselhorn allerdings nicht, sondern sprach mit dem Spiegel. Das linke Blatt publizierte Anfang Mai den Artikel „Der Mann mit den vielen Namen“ und kann darin Hasselhorn zitieren:
„Erst jetzt räumte er auf erneute Anfrage ein, bis 2019 mehr als 60 Artikel unter diversen Namen veröffentlicht zu haben: Michael Vulpius, Paul Friedrichs, Dominique Riwal, Johannes Ludwig, Martin Grundweg oder Wolfgang Kaiser.“
Wenig überraschend, suchte der Spiegel die Texte zu den Pseudonymen und stieß auf den Beitrag „Schwule Verschwörungen“ von einem Johannes Ludwig. Hasselhorn gab daraufhin an, diesen Sezessionsbeitrag nicht geschrieben zu haben. Kubitschek bestätigte das schriftlich. Hasselhorn versuchte anschließend noch, sich von einzelnen Ausdrücken wie „Schuldkult“ zu distanzieren. Dieser sei „wohl ‚verschärfend‘ in sein Manuskript redigiert“ worden. Auf diese Wortklauberei stieg Kubitschek auf Nachfrage des Spiegels nicht mehr ein.
Selbstverständlich blieb von dieser detaillierten Aufarbeitung der Hasselhorn-Texte durch ihn selbst nur Folgendes stehen: „Historiker Hasselhorn schrieb mehr als 60 Texte für neurechte Medien“ (Sonntagsblatt). Einen letzten Distanzierungsanlauf startete Hasselhorn aber noch, dieses Mal in der FAZ. Sein Chef Hoeres wies in derselben Ausgabe die Anschuldigung Bahners zurück und betonte, dass das Ministerium „auf Nachfrage“ die Entlastung des Lehrstuhls bestätigt habe. Hasselhorn schrieb wesentlich ausführlicher, wiederholte seine Distanzierung und bekräftigte noch einmal:
„Ich vertrete liberalkonservative Positionen und habe damit 2020 in der CSU eine politische Heimat gefunden.“
Etwas seltsam wirkte in diesem letzten Artikel seine Stilisierung als Einzelkämpfer („Akademiker marschieren in Einsamkeit und Freiheit, nicht im Rudel und nicht als Truppe“). Sie passt vor allem nicht zu seinen wechselnden Parteimitgliedschaften.
Mit Anfang 40 das Ende der Karriereleiter erreicht?
Mitte Mai verschwand der Fall „Hasselhorn“ schließlich aus dem Feuilleton. Er veröffentlichte kurz darauf sein neuestes Buch „Die Bedeutung des Kronprinzen Wilhelm“, womit sich der Kreis zur Hohenzollerndebatte schließt. Die berufliche Zukunft des 1986 geborenen Historikers, der noch Akademischer Rat auf Zeit ist, ist zwar noch offen. Eines ist jedoch jetzt schon klar: Mit seinen schrittweisen Distanzierungen hat sich Hasselhorn zwischen alle Stühle gesetzt. Beim akademischen Establishment konnte er sich damit nicht reinwaschen. Linke hassen ihn ohnehin. Und im rechten Lager lachen mittlerweile sogar jene über ihn, die ihn eigentlich für einen klugen Kopf gehalten haben.
Dieser Artikel von Karl Sternau erschien zuerst im Magazin Info-DIREKT, 58. Ausgabe.






