Israel hat heute Nacht den Iran angegriffen. Ein israelischer Militärvertreter erklärte dem regierungsnahen TV-Sender "Kanal 14", dass sich sein Land nun im Krieg mit dem Iran befinde und es einen „breit angelegten Angriffsplan für die kommenden Tage“ gebe. Der Iran hat "starke Gegenreaktionen" angekündigt.
Ein Kommentar von Michael Scharfmüller
Damit dürfte außer Streit stehen, dass Israel den Iran überfallen hat, also einen Angriffskrieg gestartet hat. Deshalb wird es spannend, wie sich jene Staaten, Parteien, Politiker, Medien und Meinungsmacher nun verhalten, die den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine aufs Schärfste verurteilt haben und seit drei Jahren nicht müde werden, immer wieder zu betonen, dass Russland der Aggressor ist.
Wer sich aus diesem Grund auf die Seite der Ukraine stellt, müsste sich nun auch auf die Seite des Irans stellen. Schließlich hat Israel den Iran angegriffen und nicht umgekehrt. Nach dem Hamas-Angriff auf ein Festival in Israel im Oktober 2023 haben sich auch viele uneingeschränkt solidarisch mit Israel erklärt. Schließlich ist Israel angegriffen worden und habe deshalb auch das Recht, sich dagegen zu wehren.
Jeder Krieg hat eine Vorgeschichte
Die Wahrheit ist freilich komplizierter: Jeder Krieg hat eine Vorgeschichte, die man bei moralischen Beurteilungen berücksichtigen sollte. Wobei moralische Beurteilungen in Kriegen meist ohnehin völlig fehl am Platz sind. In Kriegen sind moralische Aspekte so gut wie immer nur ein Vorwand, um das eigene Verhalten zu rechtfertigen. Kriege werden meist aus handfesten Interessen geführt. Es geht nicht um Moral, sondern meist um Machterhalt beziehungsweise Machtausbau (speziell im Fall von Netanjahu). Das ist im Ukraine-Krieg so. Das ist im Gaza-Krieg so. Das ist jetzt im Krieg zwischen Israel und dem Iran so.
Wer die erste militärische Kampfhandlung durchgeführt und damit den Krieg offiziell begonnen hat, ist beinahe unwichtig. Viel wichtiger ist es, wer den Krieg beendet und vor allem zu welchen Bedingungen.
Uneingeschränkte Solidarität als Freifahrtsschein
Wer sich bedingungslos auf die Seite einer Kriegspartei stellt und sich mit dieser uneingeschränkt solidarisch erklärt, trägt zur weiteren Eskalation bei. Wer das nicht glaubt, soll sich ansehen, was seit Oktober 2023 im Gaza-Streifen passiert ist. Bedingungslose und uneingeschränkte Solidarität wird immer als Freifahrtsschein für noch mehr Brutalität verstanden, was meist in einer Gewaltspirale endet, aus der man nur mehr schwer herauskommt.
Ein Krieg ist kein Fußballspiel, bei dem man sich zum "Fan" einer Seite erklärt, um dieser zuzujubeln und den Gegner auszubuhen. Ein solches Politikverständnis ist nicht nur naiv, sondern auch gefährlich.
Bedingungslose Solidarität nur mit einem Volk
In Wahrheit kann es für echte Patrioten nur ein Volk geben mit dem man sich bedingungslos solidarisch erklären sollte: dem eigenen.