Am vergangenen Sonntag wählten die Bauern in Niederösterreich ihre Standesvertretung. Was man darüber wissen sollte:
Ein Kommentar von Michael Scharfmüller
Nicht einmal jeder zweite Landwirt nahm an der Wahl teil. Jene, die zur Urne schritten, wählten zu 82 Prozent den Bauernbund (- 3,01 %), also die ÖVP. Auf Platz zwei landete der "Unabhängige Bauernverband" (UBV) mit 9,81 Prozent (+ 1,08 %). Die "Freiheitlichen & Unabhängigen Bauern" (FB), die der FPÖ nahe stehen, erreichten 4,88 Prozent (+ 1,49 %). Die SPÖ-Bauern (2,19 %) und die "Grünen Bauern und Bäuerinnen" (GBB; 1,11 %) schafften den Einzug in die Kammer aufgrund der Vier-Prozent-Hürde nicht.
In Wahrheit wählte "nur" etwa jeder Dritte den Bauernbund
Angesichts dieses Wahlergebnisses stellt sich die Frage, wie sehr die ÖVP die Bauern und Österreich noch quälen muss, bis sie nicht mehr gewählt wird. Das Ergebnis des Bauernbunds verliert jedoch an Glanz, wenn man die Wahlbeteiligung berücksichtigt Diese ist im Vergleich zur letzten Wahl um 6,4 Prozentpunkte auf nur noch 46,61 Prozent gefallen. In Wahrheit hat also "nur" etwa jeder dritte Wahlberechtigte sein Kreuz bei der ÖVP gemacht. Der Rückhalt für die Volkspartei schwindet also auch innerhalb der Bauernschaft.
Wahlberechtigte Pensionisten sichern ÖVP die Vorherrschaft
Das Wahlergebnis verdeutlicht, wie unbeirrbar manche Bauern dem Bauernbund die Treue halten, selbst wenn sie darunter leiden. Das könnte auch daran liegen, dass bei der Landwirtschaftskammerwahl auch bereits pensionierte Landwirte wahlberechtigt sind. Dass bei der Wahl einer beruflichen Vertretung auch noch Personen mitwählen können, die längst nicht mehr berufstätig sind, ist ein Unding, das es nur bei den Landwirtschaftskammerwahlen gibt. Das ist jedoch nicht die einzige Absurdität im Landwirtschaftskammerwahlsystem. So sind unter anderem auch Familienmitglieder, die am Hof regelmäßig mitarbeiten und Grundeigentümer, sowie einige Funktionäre von landwirtschaftlichen Vereinen wahlberechtigt. Hier mehr über diese Besonderheiten.
Kritik an anderen Parteien
Das hohe Ergebnis der ÖVP und die geringe Wahlbeteiligung zeigen jedoch auch, wo die anderen Parteien ansetzen müssen, um die Macht des Bauernbundes einzuschränken: Sie müssen alles dafür tun, die Nichtwähler für sich zu gewinnen. Weshalb das nicht gelungen ist - die Wahlbeteiligung ist ja sogar noch deutlich gesunken -, müssen sich diese Parteien nun selbst fragen. Die Antwort darauf sollten sie rasch finden, ein guter Wahlkampf beginnt nämlich am ersten Tag nach der Wahl.
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Bauern auf Nebenjobs angewiesen: Für CSU ein Erfolg!
Günther Felßner, CSU-Politiker, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) und möglicherweise zukünftiger Landwirtschaftsminister, sieht in der Tatsache, dass immer mehr Bauern ein zweites berufliches Standbein brauchen, weil sie von ihren Höfen nicht mehr leben können, fast schon eine erfreuliche Entwicklung. Durch diese „Diversifizierung“ könnten die Landwirte ihre Höfe erhalten. Die völlige Ausbeutung des einst so stolzen Bauernstandes nennt der BBV-Präsident gegenüber dem Bayerischen Rundfunk stolz den „klassischer bayerischer Weg“. Dadurch sei es gelungen die Zahl der Betriebe in Bayern "relativ stabil" zu halten, so Felßner. Tatsächlich ist der Anteil der Betriebe, in denen die Landwirte ihren alleinigen Lebensunterhalt verdienen, von 41 Prozent im Jahr 2013 auf 37 Prozent in 2023 gesunken.
Mehr dazu hier: https://www.info-direkt.eu/deutschland/bauern-auf-nebenjobs-angewiesen-fuer-csu-ein-erfolg