Man muss sich vor Erdogan nicht so bücken wie Angela Merkel

Bild: Broder: gemeinfrei; Hintergrund: Nicolas Raymond via flickr;

Vom 28. – 29 September war der türkische Staatspräsident, Recep Tayyip Erdogan, als hofierter Staatsgast auf Besuch in Deutschland. Eingeladen von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Empfangen mit militärischen Ehren und argumentativ in Schutz genommen von Außenminister Heiko Maas.

Von Friedrich Langberg

Maas ist übrigens einer von denen, die die EU-Zahlungen an Ungarn einstellen wollen. Begrünung: „Wer Recht missachtet, der muss sanktioniert werden.“ Seltsamerweise ist seitens Maas keine kritische Aussage zu den neun Milliarden Euro zu hören, die der Türkei als „Heranführungshilfe“ für den EU-Beitritt ausbezahlt werden.

Einer, der den Zirkus um Erdogans Besuch genauso kritisch sieht wie den Besuch an sich, ist der Welt-Journalist und Autor Henryk Broder.

Putin bekam nur einen Arbeitsbesuch

Was Broder relativ selten tut, ist Putin zu verteidigen. In diesem Fall hat er sich zumindest indirekt dazu hinreißen lassen, um den Kontrast zu verdeutlichen. Der russische Präsident war im August ebenfalls in Berlin. Er jedoch bekam nur ein dreistündiges Arbeitsgespräch.

Interessant ist das deswegen, weil Putin nicht erst seit seiner Rede im deutschen Bundestag 2001 die Relevanz positiver Beziehungen zwischen Russland und Deutschland unterstreicht, während Erdogan es pausenlos als ein Land von Nazis hinstellt, das man am besten durch Geburten-Dschihad einnimmt. Seine Haltung demonstrierte er auch diesmal wieder damit, seinen Anhängern während des Trips durch Berlin den Islamisten-Gruß der Muslimbrüder zuzuwinken.

Inzwischen beschwert er sich übrigens sogar, in Deutschland ungastlich behandelt worden zu sein. Wahrscheinlich gab es keine „gegrillten Armenier an Reisrand“, wie Broder in einem Interview mit der Welt vermutete.

Deutsche Regierung unterliegt der „Erotik des Stärkeren“

Den Grund für die Unterwürfigkeit gegenüber dem Pascha aus Istanbul sieht Broder darin, dass dieser den Stärkeren spielt und von Merkel abwärts einfach alle auf die Pose hereinfallen. Während man bei uns alle an den „Runden Tisch“ bittet und sich selbst mit Leuten in Talk-Shows setzen muss, die man verachtet, kommt da einer angereist, der einfach alle einkerkert, die ihm zuwider sind.

„Ich glaube das imponiert diesen Weicheiern, die uns regieren, ganz gewaltig.“

Erdogan braucht mehr uns als wir ihn

Dass es sich dabei um nichts weiter als eine neoosmanische Inszenierung handelt, zeigt ein Blick auf die Fakten. Erdogan braucht uns viel mehr als wir ihn. Hätten unsere Politiker übrigens die notwendige Entschlossenheit, die eigenen Grenzen zu schützen, würde ihn gar niemand brauchen. Dann wäre der „Türkei-Deal“ nämlich gänzlich überflüssig. Broder fasst zusammen:

„Man kann natürlich mit jedem Gauner Geschäfte machen, aber man muss sich nicht so tief bücken.“

 

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