Abstimmung wiederholen: Eurokraten akzeptieren den Brexit nicht

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Auf Beitragszahlungen über 6 Milliarden netto verzichtet man in Brüssel offensichtlich auch dann nicht gerne, wenn sie aus einem Land kommen, das von Migration nicht viel mehr hält als Ungarn. Anders als Ungarn wird England jedoch nicht mit einem Verfahren hinausgedrängt. Vielmehr versucht man, dessen eigenen Austritt zu verhindern. Mit einer in der EU nicht unüblichen Methode: Man stimmt einfach ab, bis das Ergebnis passt.

Von Friedrich Langberg

Die EU verkauft sich der Welt gerne als Urheberin und Garantin der Demokratie. Dass dies nicht immer im Einklang mit der Realität steht, fällt nicht nur ihren Einwohnern immer stärker auf. Selbst Martin Schulz, seinerzeit Präsident des Europäischen Parlamentes, hat gegenüber dem Welt-Journalisten Henryk Border das Demokratiedefizit eingestanden. Er meinte, wäre die EU ein Staat und würde bei sich selbst einen Mitgliedsantrag stellen, müsste dieser abgelehnt werden. Mangels demokratischer Substanz. Dieser Mangel tritt heute wieder besonders deutlich zutage.

Nicht der Brexit wird geplant, sondern eine erneute Abstimmung

Vor über zwei Jahren haben die Briten im Rahmen einer Volksabstimmung ihren Austritt aus der Europäischen Union beschlossen. Die Folgen dieser Entscheidung waren, neben der Migration, das bestimmende Thema am Treffen der EU-Regierungsspitzen in Salzburg. Aber nicht nur, um die Beziehungen zwischen der Union und dem Königreich für die Zeit nach dem Austritt vertraglich vorzuplanen. Auf der Agenda steht vielmehr eine eventuelle Wiederholung der Abstimmung.

Werfen wir doch gleich eine Münze, bis das Ergebnis passt!

Begründet wird dies damit, dass – laut Umfragen – etwa die Hälfte der Briten sich eine Wiederholung des Referendums wünscht. Ob das wohl jene Hälfte sein könnte, die schon 2016 für den Verbleib gestimmt hat? Die Abstimmung ging seinerzeit etwa 51:49 aus. Bei dieser Balance ginge eine Wiederholung wohl je nach Jahreszeit, Wetterlage und allgemeiner politischer Stimmung jedes Mal anders aus. Da kann man sich das Geld und den Zirkus eigentlich sparen. Man könnte einfach eine Münze werfen, bis den Herren in Brüssel das Ergebnis passt.

Die Frage ist nur: Was würden diese Leute sagen, wenn das Volk sich damals für den Verbleib in der Union ausgesprochen hätte? Wenn das Brexit-Lager nach einer Wiederholung riefe? Man würde sie als „Rechtspopulisten“ abstempeln, die keinen Respekt vor demokratischen Entscheidungen hätten. So ist das in Brüssel: Demokratie darf zurechtgebogen werden. Aber nur von jenen, die auf der richtigen Seite der Geschichte stehen.

EU erkennt Demokratie nur an, wenn zu ihren Gunsten abgestimmt wird

Neu ist dieses semi-autokratische Vorgehen übrigens keineswegs. Bereits im Zuge Einführung eines EU-Verfassungsvertrages hatte man die Taktik angewandt, Abstimmungen einfach zu wiederholen. So geschehen in Frankreich und Irland. Am Ende wurde der Vertrag übrigens unter neuem Namen („Vertrag von Lissabon“) und mit ein paar geänderten Überschriften einfach ohne jede Abstimmung beschlossen.

Auch das britische Parlament ist gespalten

Wahrscheinlich wird eine tatsächliche Wiederholung aber vor allem deshalb, weil die britische Labour Party das in Erwägung zieht. Premierministerin Theresa May alleine hat keine Mehrheit im Parlament, weil die Brexit-Frage auch die eigenen Abgeordneten spaltet. Da sind die EU-Kritiker, die einen noch härteren Brexit wollen, und jene, die lieber in der EU verbleiben würden. Ist aber keine Einigung zwischen Brüssel und dem britischen Parlament zu erzielen, wäre die erneute Abstimmung tatsächlich unausweichlich. Genau darauf scheint die Union zu spekulieren: Sie hat die britischen Vorschläge zum Austritt (Chequers-Papier) abgelehnt, jedoch selbst noch keine auf den Tisch gelegt.

Die späte Rache der europäischen Plutokratie

Gerade England war es, das im aufgeklärten Europa die Idee einer modernen Demokratie skizzierte. 1649, als es König Karl das Haupt vor die Füße legte. Und 1689, als König William die „Bill of Rights“ unterzeichnen musste, mit der er seine Macht beschränkte. Spätere Revolutionäre in Amerika und Frankreich beriefen sich direkt auf dieses Dokument. Wie es aussieht, rächt sich Europa nun für diesen Einfluss, indem es die Idee der Demokratie auf das operettenhafte Abspulen bestimmter Rituale zurechtstutzt.

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